"Florian das Pferd des Kaisers" hiess das Buch, das ich meiner Schwester Barbara abhändigte. Ich war damals vier. Lesen konnte ich nicht. Auf dem Deckel war in Schwarzweiss ein wunderschöner Schimmel abgebildet. Zwischen den Kapiteln weitere Bilder von weissen Pferden. Die Silouette jedes Tieres hatte meine Schwester mit Bleistift auf den Fotos nachgefahren. Wenn ich die Seite anhob, glänzten ihre Striche silbern im Licht. Bis heute kenne ich niemanden, der so perfekt die Bewegungen eines Pferdes darstellen kann. Sie erzählte mir von den abgebildeten Hengsten. Lipizzaner... eine der edelsten und intelligentesten Pferderassen.
Von da weg war mein Wunsch eingepflanzt, die Pferde an ihrem Ursprungsort "Lipica" in Slovenien zu besuchen. Heute ist es endlich soweit.
Georgi muss hierfür wieder seinen BMW satteln. Wir erreichen während der Fahrt kommunikationsmässig bereits die zweite Aufwärmstufe. Es gibt einige Erklärungen zur Landschaft und sogar eine Kurzbemerkung betreffend seiner Jugendzeit nämlich wie lange es auf dieser Strasse (wir fahren auf der Landstrasse) gedauert habe, um von Ljiubliana aus ans Meer zu gelangen. 8 Stunden. Vor uns erscheinen die berühmten Karstgebirge. Heimat der wilden Vorfahren der Lipizzaner. Georgi stellt den Zeiger. Es geht rechts ab. Beim Anblick der weissen Koppeln und frischgrünen baumbestndenen Wiesen steigt mein Puls.
Jetzt bin ich im Pferdehimmel. Da, die Stuten mit ihren allesamt schwarzen Fohlen, die auf staksigen Beinen versuchen, den Mutterstuten zu folgen oder wenn schon etwas älter, mit lustigen Sprüngen das Publikum
zu entzücken. Die kleinen Jungspunde werden im
Laufe der Jahre ihre Fellfarbe wechseln... von Schwarz zu Grau und schliesslich im Alter von 5-7 Jahren zu Weiss.
Nur ca. 5% der Tiere werden diese Fellmutation nicht mitmachen und bleiben Rappen, doch auch diese Tiere können zur Zucht weiter verwendet werden, denn die weisse Farbe ist interessanterweise dominant. Folglich können auch Nachkommen von dunkeln Tieren die gewünschte weisse Fellfarbe wieder hervorbringen.
Jetzt aber kein Halten mehr: Mein Ziel sind die Deckhengste. Diese mystisch weissen Geschöpfe.
Seit 1770 werden die Lipizzanerpferde nach strikten Regeln gezüchtet. Jeder Hengst kann nur von einem der 6 Urhengste abstammen, die spanisches, italienisches und arabisches Blut vereinen: Jeder Hengst bekommt den Namen seines Urahnen: Pluto, Neapolitano, Siglavy, Conversano, Favory oder Maestoso. Diesem Stammnamen angehängt wird der Name der Mutter, die wiederum nur auf eine der 26 zugelassenen Stutenlinien zurückführen darf.
Die edlen Hengste in Lipizza sind nur noch eine kleine Vertretung der Rasse. In den Wirren der Weltkriege und im
Gezerr der Mächte um Slovenien ging das Gestüt beinahe zugrunde. Ein amerikanischer General rettete fast in letzter Minute einige Hengste. Heute befindet sich die Hauptzucht im österreichischen Piber. Von da stammen alle Pferde, die an der Hofreitschule in Wien gezeigt werden.
Im Stall herrscht überraschend lockere Atmosphäre. Ich darf an die Boxen der "Weissen" herantreten, was agesichts des Wertes dieser Vierbeiner sehr erstaunich ist. Die meisten sind freundlich neugierig, schnüffeln durch die Gitter und äugen zwischen ihren langen Wimpern hindurch. Sie wirken entspannt. Ein Favory Hengst wird gerade zurückgebracht. Es kratzt wohl was an seinem Rücken. Voller Vergnügen wirft er sich in seiner Box auf den Rücken. Ahh so ein Sägemehl-Strohpeeling. Eine Wohltat.
Die Artgenossen spitzen plötzlich die Ohren. Mit freudigem Wiehern begrüssen sie die junge Bereiterin. Sind sie heute drann für die Reitvorführung? Weitere Reiterinnen treten ein, und jede wird von "ihrem Schützling" mit Ohrenschmusen und motivierten Geschnaube begrüsst. Man kennt und schätzt sich. Jetzt aber hinaus und unter die Dusche.
Derweil die Darsteller in der "Beauty" verschwinden, zieht es mich auf die Wiese zu den Junghengsten.
Die Youngsters haben noch Flausen im Kopf. Stundenlang könnt ich Ihnen zuschauen. Ihre feinadrigen Gesichter, die engelswellige Mähne, ihr eleganter Gang.
Zu schnell heisst es Abschied nehmen. Die Vorführung beginnt in der Halle. Würdig schreiten die Maejestätischen unter bordeauxroten Sätteln in das Viereck. Man sieht ihren Stolz in den schwarzen Augen. Die Hälse zu Sicheln gebogen. Der Schweif anmutig getragen. Fast schwerelos schweben sie im fliegenden Galoppwechsel, die Stirnmähne flattert, die Muskeln angespannt, wenn die retardierten Trabschritte folgen. Alles vorgetragen zu klassischer Musik.
Eine hypodrome Feierlichkeit. Das Schlussbouquet bilden die drei Tophengste, welche die Kapriole beherrschen. Am
langen Zügel heben sie ab, alle Beine in der Luft.
Mein Herz fliegt mit.
Danke Conversanos, Siglavys und Co.
Unvergesslich.
Mein Kindheitstraum.
MAESTOSISSIMO
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Maria Knist (Montag, 10 Juli 2017 22:30)
Schön wie du die Hengste beschreibst. Hast du als Kind , Jugendliche nie geritten wenn du Pferde so gerne hättest?
Willy (Dienstag, 18 Juli 2017 05:43)
Danke. Zauberschön