Sie hat etwas Sinnliches... diese Stadt... Porto... oder Oporto. Welche Schreibweise? Offenbar beide im Gebrauch. Die Intonation des Namens so weich fliessend wie ein seidenes Kleid... wie der Wein um den sich hier das Leben dreht. Die Häuser schmiegen sich an das Ufer der letzten Kurve des Duoro, bevor dieser in die Wellen des Atlantiks gleitet. Die Altstadt räckelt sich in den ersten Sonnenstrahlen, wie eine leicht verruchte Diva... verlebt and dirty nach einer durchrauchten Nacht.
Mein Zimmer im „Pestana Vintage“ ist etwas vom Besten, was mir je an Hotelzimmer-Aussicht zugefallen ist.
Der Balkon mit ziseliertem
Eisengeländer ist nur
20 cm tief, aber er reicht, um hinauszutreten und Teil des Bühnenbildes zu werden. Ich blicke hinüber nach Gaia, wo die alten Weinkellereien dicht an dicht die Promenade säumen. In den Fenstern reflektiert kupferglänzend das Licht des jungen Tages. Die beiden Städte Porto und Gaia drängen sich hier an das Gestade, um fast abrupt bei der weltberühmten Brücke zu enden.
Sind sie, die beiden Städte, die Schenkel? Die Brücke der Einlass in eine verborgene Welt? Die urigen Holzschiffe unterqueren die vom Meister Eiffel konstruierte Brücke, um hinter der nächsten Kurve zu verschwinden.
100 Km durch eine bezaubernde Landschaft dem Uterus des europäischen Weinbaus entgegen. Ja die Bewohner hier, sind der festen Meinung, hier liege die Wiege des Weinbaus... die Georgier hatten mir dasselbe über ihre Region auch gesagt.
Auf dem Balkon ist meine Entdeckungslust längst entfacht, und ich unternehme, was hier jeder Neuankömmling intuitiv macht. Auf zur Brücke. Gustav Eiffels Handschrift unverkennbar. Zeitlos elegant und erst noch intelligent konstruiert mit 2 Nutzungsebenen. Unten: Autos und Fussgänger, oben: Strassenbahn und Fussgänger.
Nach der Passage zieht es mich ganz ungefragt zu den Caves. Alle grossen Portomarken haben sich hier in der ersten Reihe positioniert. Die kleinen dahinter. Kellerführungen und Weintasting ist hier die Attraktion Nummer 1. Ich lasse mich fürs Erste nicht verlocken, denn morgen wird es ja auf eine Weinexkursion gehen. Ich schlendere am Ufer entlang und erst jetzt bemerke ich sie... eine Gondelbahn. Vortrefflich in das Häusergewirr integriert, schwebt sie dem höchsten Punkt von Gaia entgegen.
Mein Schweizer Gondelihärz juckt bei diesem Anblick. Fahrscheine gibt es gleich unten am Eingang... alles hochmodern. Der kurze Ritt ist es wert. „Boa Vista“ würde der Portugiese sagen.
Oben angekommen, kann ich nach wenigen Schritten auf die obere Ebene der Brücke einbiegen und zurück nach Porto marschieren. Huu recht hoch hier! Der Abstieg zurück zum Ufer erfolgt steil durch die wild verwinkelten Gässchen, im Volksmund „dunkle Gassen“ genannt, weil in der Nacht kaum Beleuchtung vorhanden ist,
oder wer es ganz commod bevorzugt, kann hinter dem Orangenhain entlang der Stadtmauer die weisse Funiculare wählen und gemütlich nach unten rollen.Hier findet man sich wieder an der Fremdenverkehsmeile.
Menue Touristicos“ möglichst noch mit Foto in 10 Sprachen. Das ist es natürlich nicht, doch... das wie immer nach kaltem Karton schmeckende „Star-Alliance-Sandwich vom Flieger ist schon eine gefühlte Ewigkeit her.
Schliesslich sind es liebevoll mit blauweissen Tüchern gedeckte Tische, die meine Aufmerksamkeit erregen. „Chez Lapin“ hat Caché.
Verwinkelt, draussen, drinnen, obere Terrasse... unter Torbögen oder im Steinkämmerchen mit modernen Glasfenstern. Jeder findet hier ein lauschiges Plätzchen. Die ledergebundene Speisekarte liegt schon auf dem Tisch.
Leandro eilt herbei. Er ist ein wenig überfordert. Das arabische Honeymoonpärchen bestellte aufwändig, die portugiesische 4-er Gruppe in der Ecke moniert die lange Wartezeit. Immerhin: „Food late, but good!“ Ich möchte Beratung und ein Glas lokalen Weisswein. Er, Leandro, ist einer jener Kellner, die einem kurz, sehr kurz mit der Hand an der Schulter berühren. Er kommt in Eifer. Der Codfisch im Ofen zubereitet. Das sei sein Favorit. Die Hände wirbeln vor seiner schwarzen Schürze und endlich kommt er mit der Flasche angetrabt.
Nun lerne ich gleich, wie grosszügig man hier mit dem Wein umgeht. Es gibt immer zuerst einen sehr grosszügigen Schluck zum Probieren, ob einem die Sorte passt. Falls ja wird, im Gegensatz zu uns daheim, (wo manche Bedienung mit einem in die Pupille eingepflanzten Zentimetermass, das Getränk fast tröpfchenweise eingiesst), der Hals der Flasche sehr generös gekippt, und man möchte fast selber Einhalt gebieten. Das Glas ist bauchig, füllt sich locker und gibt Mut für Leandros Ofenfisch, denn vor gut 20 Jahren hatte sich mein ganz persönliches Misstrauen gegen die portugisische Küche etabliert. Die Realität outet sich positiv. Leandro hat nachgeschenkt. Der Fisch feiert einen, der ruralen Küche entsprechenden, Auftritt. Er brutzelt in einer rötlichen, römertopfähnlichen Tonschüssel, zwischen groben Kartoffelstücken und einigen Gemüsstreifen. Es mundet. Nicht Nouvelle Cuisine, aber solid und der Charme der Lokation versöhnt meine verwöhnte Zunge auf jeden Fall. Die hat auch nichts zu beklagen. Eine Lektion in Portwein steht an.
Inzwischen hat mich Francisco in das Herz des Duorotales chauffiert. Eigentlich wollte ich ja per Schiff oder mit der Eisenbahn....aber no: „Viel zu weit oder ich zu spät aus den Federn gesprungen!“
Von Porto aus sei das eine Halbtagesreise 100 Km, meint mein schwarzkrausköpfiger Namensvetter und so muss die Autobahn herhalten, die aber auch lobend erwähnt werden darf. Wie sie sich elegant durch
die Hügel des Umlandes schlängelt. Ja, die Portugiesen verstehen was von Strassen- und Brückenbau. Davon konnte ich mich schon in Madeira überzeugen.
Und nun liegt er vor mir. Francisco kennt den ultimativen Aussichtspunkt.
Gelassen zieht er ... er der Lebensspender...“Hallo Douro!“ Der kühle Wind wühlt sachte Rippelwellen in seinen Flow. Sein Farbenspiel: Gedämpftes Blau, Silbergrün. Er hat sich in das doch recht steile Gelände eingefressen.
Noch schläft das sonst üppige Laub der Reben. Die Hügel geben sich, jetzt im Februar, grossteils in kargem Braungrau. Aber kein Zweifel, wenn die Blätter spriessen, wird sich eine Augenweide entfalten.
Die Strahlen der Wintersonne tummeln sich in den Kronen der Olivenbäume, die sich an die Abhänge klammern. Wie ich später noch lernen werde, dienen sie als Errosionsschutz. Die trockene Erde macht hier nur allzuoft einen Downhill. Die Wurzeln sollen das verhindern.
Pinhão, das Dörfchen, am Knie des Flusses gelegen, wird sich nicht für den Wakkerpreis beweben, aber es ist eine Art Epizentrum der Portokultur.
Ein traditionelles Boot liegt vertäut. 50 Minuten dauert die gemütliche Fahrt in der Stille. Golden das Schilf.... graziele Weiden.
Ein Kormoran scheucht auf, breitet seine ebenholzschwarzen Flügel. Wasser perlt von seinen gespreizten Federn.
Die Brücke erinnert mich an meine Briobahnzeiten, die kantigen Bodegas an Land an die Klötzchenhäuschen in meiner Spielzeugschachtel.
Und nun zum „Guten Ende“ „Bomfim“.
Was bin ich Glückspilzin. „Cindy“, die ich innerlich auf „Isabel“ umtaufe, hat Zeit für eine private Führung durch eine der berühmtesten Quintas der Region.
„Cindy“ ... perdona... Deine Anmut, Dein Feuer für diesen Edeltropfen, muss in diesem leicht royalen Namen „Isabel“ atmen. Wir sind schon im Gärkeller angelangt.
Die Familie „Symington“ (schottischer Provenienz) hat sich während 4 Generationen zu den Lokalmatadoren hochgekeltert. Sie besitzt über 1000 Parzellen. Hat diverse Mitbewerber aufgekauft, ohne aber das Charakteristikum des Konkurrenzproduktes zu zerstören. Im Gegenteil, man wolle Eigenarten, die Varietäten, erhalten.
Die Trauben des Duoro gälten als sehr teuer, fast alles Handarbeit, ein Kilo Frucht pro Stock. Allerdings habe man vor nicht allzulanger Zeit herausgefunden, dass eine vertikale Anpflanzung der Weinstöcke den fast doppelten Ertrag bringe. Leider nur an seltenen, nicht zu steilen Lagen, praktikabel.
Und nun endlich...
„Lektion Porto“ Wie wird aus Wein „Porto“? Ich vermute spezielle Fasslagerung, Traubensorten....Alles weit gefehlt.
Porto erfährt in den ersten 2 Tagen den genau gleichen Prozess wie normaler Wein. Doch dann erfolgt der entscheidende Schritt. „Es wird“, Isabels dunkle Augen glitzern geheimnisvoll“, der Spirit of Grapes hinzugefügt.“ Darunter verstehe ich nun wenig, doch meine Destillationskenntnisse aus dem
Hause Etter lassen mich der Sache näher kommen und ich filtere heraus, dass es sich um unverdünnten Grappa handeln muss. Die sehr hochprozentige Beigabe zerstört die für den Zuckerabbau zuständigen Mikroorganismen, und der Gärprozess wird so umgelenkt, dass ein grosser Anteil von Zucker unvergoren erhalten bleibt.
Ein lustvolles Spiel mit der Fermentation. Gut durchmischt gelangt die Flüssigkeit in die Tanks um hier einige Monate zu reifen. Isabel wird wieder bildlich: „Die Schwangerschaft des Portos“
Am Ende dieses Prozesses wird sich das Schicksal des Produktes entscheiden: Die Geburt!
.. und es wird anspruchsvoll.
Je nach Einschätzung der Kellermeister wird ein Wein sein Leben als „Ruby“ oder als „Tawny“ fortsetzen. Der Ruby ist ein lässig, fruchtiger Jungspund. Er wird höchstens 3 Jahre in grossen Holzfässern zubringen und wenig Tannine annehmen. Der Tawny ist zu Grösserem bestimmt. Er soll lange Zeit in kleinen Holzfässern verweilen. Mit Holznoten flirten. Seine Lagerung kann sehr lange dauern.
Die Farbe wird cognacähnlich. Beiden Sorten ist gemeinsam, dass praktisch immer ein Blend aus diversen Jahrgängen hergestellt wird ( Ausnahme: Single Harvest) und dass, einmal in der Flasche eingekorkt, der Wein nicht mehr altern kann, weshalb er dann in 1-3 Jahren genossen werden sollte. Nun gibt es aber eine grosse Ausnahme: Der unterschätzte Ruby!!!
Es kann vorkommen, dass sich ein Ruby eines einzigen Jahrganges zu einem ganz exzellenten Tropfen entwickelt. Auf Gesuch hin, wird das Nationale Institut für Portwein eine Probe ziehen und falls die Ansprüche erfüllt werden, den Wein zu „Vintage“ erheben. So ein „late bodled Vintage“ (LbV)
wird filtriert oder unfiltriert angeboten. Der letztere besitzt als ganz grosse Ausnahme, die Eigenschaft, auch nach der Abfüllung, also in der Flasche, weiter zu reifen und muss liegend gelagert werden (der filtrierte stehend).
Isabel ist inzwischen apassionata in ihrem Thema aufgegangen und sie streicht eine verirrte Haarsträhne aus ihrem Gesicht.
Der Höhepunkt steht bevor, die Verkostung.
Natürlich: Mein Liebling der Vintage 2004.
Ich stehe auf der Terrasse: Der Duoro unter mir. Die schwere Süsse küsst meinen Gaumen, verdunstet auf meinen Lippen...
im Geiste sehe ich die alten Boote vor mir, wie sie damals die Fässer nach Porto transportierten. Ich ahne sie hinter der nächsten Biegung verblassen.
O( hhh) Porto... süss, sinnlich....... was für eine Entdeckung!!
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