Als ich um 12.31 am Zuger Bahnhof in den schmalschnäuzigen TrenItalia steige, deutet wirklich gar nichts darauf hin, dass ich noch schreiberisch tätig werden würde. Ascona! Eine tolle Geburtstagsparty ist angesagt. Ascona... wenn ich auch schon mehrere Jahre nicht mehr dort war. Man kennt es doch seit der Jugend. Also würde meine Entourage sagen: Das wird nicht „blogrelevant“ werden. Kennen wir alles schon.
So lehne ich mich im Speisewagen mal ganz entspannt zurück, bis der Cameriere del Bistro leicht hektisch anfragt, ob ich nicht endlich bestellen möge. Ich sei ja in 40 Minuti schon in Bellinzona, wo ich den Zug wechseln müsse. Und tatsächlich .... kaum gesagt, verschluckt der Neattunnel meinen stromlinienförmigen ItaloTGV. Ich hatte ja vergessen, dass meine erste Durchfahrt durch das Jahrhundertwerk die Reise erheblich verkürzt und so wähle ich kalte Küche: Den „Piatto Gastronomico“, dessen Attraktivität nicht vom Gebotenen, sondern vom kreativen Namen lebt. 5 Blätter steifen Rohschinkens, sicher nicht San Daniele, einige Scheiben Käse und eine Mozzarellakugel. Deko wie Gürklein oder Tomätchen sind wohl in Erstfeld noch auf der Strecke geblieben. Aber das Brot ist gut.
Spätestens bei der Ankunft im Hotel regt sich meine Schreiblust. Wieviele Male bin ich schon am Castello Seeschloss in Ascona vorbeiprommeniert, immer mit dem Gedanken: Ich möchte einmal in den alten Turm. Che Fortuna: Ein Turmzimmer war erhältlich. Meine geschichtsaffine Seele jubelt, als ich die Tessiner Granittreppe im Innern hochsteige. Die kleinen Glimmerstücke im Stein funkeln und erhöhen noch meine Spannung. Zimmer 107 öffnet sich: Noch eine kleine Sacletta hoch und ....Wouww.
Auf der lichtblauen Deckenmalerei aus dem 18. Jahrhundert grüsst mich ein Angelino. Bin ich in einer Kapelle? Einem Palazzo?
Und nun öffne ich das spitzbogige Fenster. Diese Sicht.
Über hochstrebenden Palmen und prächtigen Parkbäumen glitzern Silberperlen im Lago Maggiore. Ein Traumtag. Endlich das Gefühl von Primavera. Ein schwerer Metallsessel auf dem Balconetto lädt mich zum Genuss. Ich blicke hinunter auf die mit weissen Eisenstühlen bestückte Terrasse... Ich im Turm... Rapunzel lass Dein Haar herunter.
Doch nun zur Geschichte. Was hat das Haus zu erzählen? An der Rezeption erfahre ich seine Geheimnisse.
Vor 800 Jahren erbaute der Duce de Griglione einen viertürmigen Prachtsbau und lacierte ein schwungvolles Geschäft mit den vorbeiziehenden Händlern. Leider verliert sich später die Geschichte. Drei Türme verschwanden. Auf das 18. Jahrhundert werden die fantastischen Innenmalereien datiert. Vor allem die beiden Turmzimmer im 1. und 2. Stock begeistern. Später fanden Künstler und Anhänger der Monte Vérita Bewegung hier eine Unterkunft und der berühmte Clown Dimitri gab im hinteren Gebäude seine ersten Vorstellungen. Heute wird das Hotel in dritter Generation von der Familie Ris mit herzlichem Engagement geführt.
Im verwinkelten Garten mit grosszügigem Pool versteckt sich mitten in Ascona manch lauschiges Plätzchen.
KKK
Kulinarik, Kunst
und Kamelien.
Ein heiteres Zusammenspiel, das ich im modernen Seerestaurant des Hotels direkt am See unter der fachkundigen Betreuung von Gian Carlo ausklingen lasse. Danke!
Der Salmonino (Lachsforelle) zerfällt zart auf der Zunge und macht sich durch eine eigens im Maggiatal hergestellte Pfeffermischung (käuflich an der Rezeption) noch interessanter und steht dem hellen Pralinenparfait, auf roher Schieferplatte präsentiert, in Nichts nach.
Dies hängt auch an der charmanten Bedienung durch Michèlle, deren Gesichtskomplexion nicht zu ihrem perfekten Italienisch passen will, was meine Neugier weckt. Sie hat Wurzeln in Equador. „Das gibt es doch nicht“, entfährt es mir halblaut. Sie hebt fragend ihre schwarzgeschwungenen Brauen, die sich elegant über ihre spitzauslaufenden Augen wölben.
Ich: „Ja... wissen Sie, ich habe gerade heute etwas sehr Interessantes über Equador erfahren.... ein Land mit dem ich wirklich sehr selten zu tun habe... und nun heute gleich das 2. Mal.“ Ich erzähle Michelle wie ich ziellos durch die Altstadtgässchen geschlendert und schliesslich fasziniert am Fenster einer Galerie hängen geblieben sei. „Zuerst sah ich eine Komposition aus einer goldfarbenen Skulptur und weissen quadratischen Bildern vor schwarzglänzender Wand und einer kleinen Figur am Boden. Schon da zückte ich den Fotoapparat. Die Gasse spiegelte sich im Glas.
Und im nächsten Fenster ein kompletter Szenenwechsel... bunte lebensgrosse Menschen... dunkelhäutig. Wie aus dem Leben gegriffen... in ihrer Alltagssituation eingefangen.“ Michelle ist gleich Feuer und Flamme: „Werke von Alice Trepp“.
„Genau!“
Ich betrat also die Galerie. SACCHETTI; die Geschäftsführerin Claudia Mauthe, hatte gerade Zeit für mich! Die Lebensfiguren wurden durch
die Schweiz-Equatorianerin Trepp geschaffen. Sie besucht regelmässig die afrikastämmige Bevölkerung im nördlichen Teil Equadors. Sie nimmt Anteil am kargen Leben dieser Minderheit, gibt den Personen eine Stimme, ihren Sehnsüchten ein Gehör.
Mir gefällt die Frau mit den Eierkartons auf dem Kopf. „Das ist Viviana, und ganz genau so läuft sie durch die Markgassen, das Händy ständig vor dem Gesicht. Auf dem Kopf ihre fragile Last.
LA CARGA „Last“...der Titel dieser Austellung, die auch die urban-abstrakten Bilder des equatorianischen Künstlers Ariel Dawi miteinbezieht. Nomen est Omen. Last auf dem Kopf der dargestellten Personen und Be-Last-ung in komplizierten Lebensumständen.
Bis 15. April 2018 können diese farbigen Werke, die zum Nachdenken und gleichsam zum Freuen anregen, noch besichtigt werden.
Wer das nicht schafft, dem ist der Besuch dieses Kunstpunktes trotzdem in futuro zu empfehlen.
Die transparent anmutenden Bilder von Petra Dannehl und die Figurinen der sehr bedeutenden belgischen Künstlerin Hanneke Beaumont sind hier im Verkauf.
Eine Grossplastik sitzt ganz legère im Patio der Galerie, die einst ein sakraler Ort war. Unter einer Gewölbedecke eine kleine verdeckte Gastwirtschaft mit Gartenanteil. Die Speisekarte präsentiert sich spontan. Am besten einfach mal reinschauen, sich inspirieren und überraschen lassen.
Kreativ der ganz andern Art geht es eine halbe Stunde später bei „Elena“ weiter. Ich, die der experimentierfreudigen Gwandung durchaus nicht abgewandte Boutiquegängerin, .....komme angesichts der leuchtend orangenen Shirts und Jacken mit Jaguarprint definitiv nicht an diesem Schaufenster von „Boutique Elena“ vorbei.
Ich bin begeistert über den wilden Farb- und Materialmix, und so bringe ich Verkäuferin Kerstin schon zum Wirbeln. Doch nun geht die Türe auf. Und wer steht da? Es muss die zeitlos schöne Liz Tylor sein. Aber diese hat das Irdische schon verlassen. Es ist „Elena“ die Meisterin des Verkaufs in Sachen freche Mode. Und sie hat nach 16 Jahren den ultimativen Blick.
Rasch bin ich durch ihre Cleopatraaugen vermessen und ihr Kommentar bringt mich zum Schmunzeln. „Bitte verstehen Sie mich nicht falsch... es wäre schade bei Ihrer Tektonik, die Teile zu gross zu wählen. Nehmen Sie ruhig eine Nummer kleiner.“
Das katapultiert mich natürlich in den hypermotivierten Probierwahn, derweil Elena diverses Interessantes zu erzählen weiss. So zum Beispiel, dass sie beim Kleider-Produzenten in Italien schon mal einige exklusive Sonderwünsche anbringen darf. Das Jaguarjäcklein, das ich gerade anprobiere, sei so ein Spezial-Elena-Design. Leider ist von dieser brandneuen getupftkätzischen Kollektion schon nicht mehr viel übrig. Eine gute Kundin habe vor Wochen einige Stücke auf eine Kreuzfahrt mitgenommen und dort eine Interessentin getroffen, die fast alles bestellt hat. Also Jaguar mit Rubin-Funkelauge. „Komm mit: Du darfst auf meine Haut.“ Das Shoppingerlebnis bei Asconas Premium-Fashonista endet, das will ich nicht verschweigen, nicht mit einem solitären Teil. Wenn Ihr mir also etwas flippig begegnet: Vielleicht ist es von Elena?
Beschwingt schlendere ich noch durch die Gässchen. Da und dort wäre ich gerne eingetreten. Bei der coolen Kleiderbüste
oder beim Vintage-Elektrofahrrad. Aber Ascona ist noch nicht ganz aus dem Winterschlaf erwacht.
Auch die berühmte Prommenade am See ist nur karg bevölkert.
Das nutzt ein curieuser Schwan zu seltsam-belustigendem Tun.
Passanten erzählen, er entsteige dreimal täglich dem See, überquere die Strasse und besuche die Strassenkaffees und zwar ohne Scheu bis zum Hauseingang. Das eine oder andere Möckli wird er wohl ergattern.
Ins Nostrano kommt er aber nicht herein. Da bin ich nämlich nun an einem feinen Tischchen und studiere die Karte.
Früher war das Nostrano eine unspektakuläre Pizzeria, aber heute: So viel Ambiente. Eine zentraler offener Arbeitsplatz um den die diversen Kellner herumdüsen. Sie alle finden sich immer wieder an der Brotstation ein, wo sie die riesigen Brotlaiber aus dem Valle Maggia mit Schwung in knusprige Würfel schneiden.
Steffano, der kellnerische Spassvogel, hält Kollegen und Gäste bei hervorragender Laune.
Nach dem punktgenauen Risotto empfiehlt er die Zabaione. Der Portugiese Joachiño lässt den Schwingbesen im Kupferchessi tanzen. Ein sämigflockiger Schaum. Besser geht nicht.
Mit einem solchen Gaumenspass fällt der Abschied vom Tessin auch leichter. Ich trete auf die gepflästerte Strada. Heitere Harmonikatöne empfangen mich. Zwischen den Platanen, die gestern Abend noch so mystisch in Blau leuchteten, sitzt er.... Francesco
Er beherrscht Instrument und Stimme. L’inverno e passato... passt ja ausgezeichnet, aber auch Dr. Schiwago träufelt samtig aus dem Harmonium und erfreut die Gäste der People-Watching-Meile.
Grazie....Francesco.
Deshalb noch ein Foto. Francesco&Francesca.
Ciao!
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