Dass ich als Alternative zum verpassten Louvre in diesen Räumlichkeiten den Morgen in Abu Dhabi verbringen würde. Ich hätte gelacht, gegrinst, die Hände verworfen:“Ein Falkenspital?!“ Good joke!!“
Mr. Goggle offenbarte mir allerdings mit einem Zufallsklick die Tatsache, dass um den emiratischen Nationalvogel ein derartiger Kult herrsche, dass die Stadt über ein eigenes Falkenspital, das grösste weltweit, verfüge. Meine Recherchen ergeben: Eine Führung kann gebucht werden; so ist meine Gwondernas sofort aktiviert und der Louvre schon ein wenig vergessen.
Also stehe ich sehr pünktlich für den Taxifahrer parat. Eine „Sie“ aus Ruanda.... und, das sagt sie mit Stolz, sie wisse, wo die Kinik liege. Das sei nicht selbstverständlich, da doch wenig Touristen sich hierher verirrten.
So einsam war es am Treffpunkt aber doch nicht. Gut 20 Personen haben sich in dem einstöckigen Gebäude mit gespflegtem Garten eingefunden. Bezahlt, 170 AED, wird gleich vor Ort.
„Obe“ in lokales Weiss gehüllt, empfängt uns mit Schalk
in einem kleinen Auststellungsraum. Er ist ein unterhaltsamer Erzähler und weiss Spannung aufzubauen. Er zieht ein kleines grünes Büchlein hervor. „Der Falke ist für uns ein Freund, fast wie ein Mensch. Und wenn man mit Freunden verreist, was braucht man? Genau, einen Pass. Es ist wahr, tatsächlich verfügt jeder Falke über einen Reisepass. Da steht der Eigentümer drinn und die Nationalität des Vogels.“ bzw., akzentuiert Obe, mit seinem manchmal etwas abgehackten Englisch: „Vogel: Dänisch.... versteht evtl. nur dänisch... wichtig!“ Vogel muss Kommando verstehen! Gibt auch dänische Zucht, oder Germany und viele andere Länder und ....natürlich Emirates. Beste!!“
Wenn Falke reist, dann meist Ausland... Uspekistan, Pakistan mit Flugzeug in Passagierkabine oder falls Tier vom Scheich, in eigener Airbus 3xx, Privatflug... nur Falke, Betreuer und Pilot. Kein Witz!“
Somit ist jetzt einmal klar, der Gefiederte hat hier extremen Status. Früher abgerichteter Gehilfe der Beduinen für die Jagd in der Wüste, dient er heute als Statussymbol. Ein gut ausgebildeter Falke schlägt mit rund 40’000 Franken zu Buche. Besondere Exemplare erreichen Preise um 100‘000. Der Emirati hätschelt seinen Freund; umsorgt ihn. Und deshalb braucht es ein eigenes Spital. Rund 11’000 Vögel werden hier jährlich behandelt.
Es begann 1999 als die Deutsche Tierärztin Dr. Margrit Müller auf dem Gebiet der Greifvögel promovierte und sich nach der arabischen Halbinsel aufmachte. Auf eine Frau hatte man dort mitnichten gewartet, aber das Schicksal wollte es. Der Lieblingsfalke des Scheichs verletzte sich an einem Stacheldraht so unglücklich, dass das Ende unausweichlich schien. Mit geringer Hoffnung wurde er ihr anvertraut. Sie schaffte das Unmögliche. Rettete den gefiederten Jäger. So wurde sie angefragt, ob sie nicht eine Falkenstation aufbauen möchte. Seither ist das Unternehmen auf unaufhaltsamem Expansionskurs. Klinik, Zucht, Falkenhotel, Auswilderungsprogramme, Forschung, Tierheim für Strassenhunde und Katzen.
„Aber jetzt. Damen und Herren, besichtigen wir die Operationsräume.“ Die Neugier steigt. Schon gruppieren wir uns im nächsten Zimmer um mehrere, mit einer Art Rasenteppich überzogenen, schmale Bänke. Auf jeder Bank sitzen ganz ruhig 3 Falken. Jeder mit Kopfbedeckung; die Augen verbunden: Das Wartezimmer der Patienten.
Sie müssten diesen Kopfschutz tragen, wenn sie so nahe beieinander seien, erklärt Obe. Sie würden einander attakieren. Der grüne Überzug der Stangen bestehe aus Gumminoppen. Diese dienten als Fussreflexzonenmassage. Angenehm!
Das Ambiente ist OP. sehr professionell. In grünen und blauen Kitteln und Kopfbedeckung erscheinen die Pfleger und Ärzte. Dr R. ... (ein ellenlanger Name, pakistanisch oder ähnlich) hält den Vortrag und leitet die Führung.
Gewandt packt er einen Vogel und steckt seinen Kopf schwupps in einen Anästhesietrichter. Der Patient piepst Protest doch nach 30 Sekunden erschlafft sein Tonus. DR. R. nimmt ihm die Augenhaube ab... er schläft. Die meisten Behandlungen betreffen die Krallen-und Schnabelpflege.
Die Falken hätten in Gefangenschaft zu wenig Flächen wie Fels oder Steine, die ihre Krallen abwetzen und damit kurz halten würden.
Deshalb stehe alle 3 Monate Pediküre an, sagt es und beginnt die Klauen abzuzwicken, nachher wird gefeilt und gesalbt und poliert. Nach 5 Minuten kann der Kollege bereits wieder erweckt werden.
Ebenfalls auf diesem Tisch würden Federprobleme behoben.
Nicht selten breche eine Feder ab. Der Vogel wird flugunfähig. Da helfe ein ganzes Arsenal von Ersatzfedern und ein Holzstäbchen ergänzt mit Sekundenkleber.
Das Stäbchen wird als Verbindungsstück in den Kiel der verletzten Feder und in denjenigen der Ersatzfeder geschoben, zusammenschieben, UHU-Leim... auf die Naht und fertig.
Jetzt der Höhepunkt: „Falke Aug in Aug.“ Ich streife den Lederschutz über. Mein Falke ist friedlich gestimmt. Das Falkenshooting klappt hervorragend.
Eine Dame aus der Gruppe darf anschiessend einen Pouletschenkel verfüttern. Sie erntet freudiges Geflatter.
Der Rundgang führt weiter in die Radiologie und in die Chirurgie. Besonders schwere Frakturen könnten bis zu 4-stündige Eingriffe erfordern.
Die Wucht bei einem Unfall sei eben verheerend. Der Falke ist das schnellste Tier der Erde. 300km/h. Obe meint vergleichend: „Ferrari.... Formel 1 der Tierwelt aber ohne Motor.“ Natürlich gibt es Gelächter... aber gerade jetzt denke ich, wo überall auf der Welt dringende Spitalversorgung fehlt. Traurig!
Zu guter Letzt folgen die Aussengehege. Das Falkenhotel mit Klimaanlage. 7 Dollar pro
Tag. Jeder Vogel wechselt während 6 Montaten sein komplettes Federkleid. In dieser Zeit geben viele Besitzer die Lieblinge ab. Viel Dreck und fliegen können sie während der Mauser auch nicht. So haben sie es in ihrem Zelt in der Klinik perfekt. Und da hier wenig Vögel in einem Areal logieren, müssen sie den Kopfschutz auch nicht tragen.
Obe schliesst sorgfältig die Türen ab. Jemand witzelt: „Oh, wenn wir hier eingesperrt bleiben?“ Obe schlagfertig: „Gut für Falke. Isst nur Frischfleisch.“
Er nimmt nochmals den Falkenpass hervor. „Jetzt kommt Intelligenztest: Weshalb haben Pass kein Foto von Vogel?“ Wir vermuten richtig. Nach jedem Federwechsel sieht das Tier komplett anders aus. Farbe, Muster. Jeder Greifvogel trägt einen Mikrochip, so kann er einwandfrei identifiziert werden. Obe applaudiert.
Die Tour endet im Museum, wo wir den Übervater des Emirates, Scheich Zayed, auf Schwarz-Weiss-Fotos antreffen. Auf Falkenjagd in der Wüste, posierend mit seinen Liebsten und Teuersten.
Im Vorraum gibt es noch die angesagte Falkenmode zu bestaunen. Hauben im Letzten-Schrei-Dekor.
Nach all den Eindrücken und Infos sinke ich bei 36 Grad falkenfederfertig in den ultraweichen Ledersessel im Empfangsraum.
Natürlich darf ich mich fragen, wie weit Tiermedizin gehen darf.... aber mir steht dies nicht zu. Es war ein
Morgen in die tiefverwurzelte Tradition, über die Liebe dieser Menschen zu diesem Tier.
Wenn ich wieder einmal einen in freier Wildbahnfliegen sehe, sich kreisend in die höhen Lüfte schwingend:
„Falke,
geniesse Deine Freiheit!“
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Dorte (Sonntag, 20 Mai 2018 14:13)
Ich möchte den Scheik kennen lernen der mit seinem Vogel dänisch spricht!�
Ein solches Spital ist ja nichts im Vergleich zur Vermenschlichung der (vor allem) Hunde in den Staaten.
Und du hast ja so recht: sehr viele Menschen auf dieser Welt wären froh überhaupt einen Arzt in ihrer Nähe zu haben.
Weiterhin gute Reise - wohin auch immer. Liebe Grüsse Dorte
Babs (Sonntag, 20 Mai 2018 17:53)
WUNDERBAR�jetzt habe ich wieder eine so herrliche „Ohren-Sessel-Reise“ mit Dir machen dürfen....von den riesigen Kränen und kreativen Bauten
samt atemberaubender Wasser-Taxi-Fahrt in Rotterdam über das Blumen-Meer
zur Queen of Night und zu den zarten Händen der Muskelmänner im FLORIS dann Nostalgie pur
mit den grossartigen Fotos der Windmühlen
zu JEAN NOUVELS grandioser Sterne-Kuppel in Abu Dhabi bis zu HORUS dem göttlichen Falken�....so schön ! Vielen Dank !
Herzliche Grüsse, Babs