Schmankerl-Glück

Spätestens als mir die Verkaufsdame in Mariazell Lebkuchen mit „Powidl“ empfiehlt und  die Speiskarte des „Steirers“ mit „faschierten Laibchen“ lockt, realisiere ich: Österreichisch ist eine Fremdsprache. Bei „Servus“, „Marillen“, „Topfen“ und „Paradeis“ fühlte ich mich  übersetzungstechnisch ja noch schwindelfrei, aber bei „Verhackertem“, „Beuschel“ und Co ist mein Latein zu Ende. 

Doppelt schön, dass ich von meinen Freunden zu einem Wohlfühlprogramm à la Steiermark eingeladen wurde. Das wird eine Schmankerlzeit!!! 

Schon wieder so ein Ausdruck, „Schmankerl“, den ich eigentlich mit Kulinarischem verbunden habe. Auch... aber „Miss Wikipedia“ erweitert meine Sinne. „Schmankerl“: „Prachtsstück, Juwel“.  Um 10.30 geht es bereits los mit Augen-und Zungenschmausigem. Mein Architekturherz hoppert. Nichts weniger als ein Haus eines berühmten Architekten erwartet mich. Das ist pure Bau-Kunst vereint mit dem exquisiten Stilgefühl der Gastgeber. Unser Wiedersehen feiern wir mit schweizerisch-steirischer Herzlichkeit. Filigran-langstielige Gläser stehen parat...moussierende „Perlage“. „So jung komm mer nie mer zamm,“ heisst es bei klingenden Gläsern. „Perlage“ muss ich wohl nicht ins Französische übertragen, oder? 


Minuten später darf „Schmankerl“ für „Prachtsstück(e)“stehen. Ein Exklusiv-Rendez-Vous mit den guten alten Tagen. Da glänzen sie mir auf mattschimmerndem Metallboden stolz entgegen. Alte Edel-Klassiker, die je nach Exemplar, auch schon erfolgreich die „Mille Miglia“ tourten. Und das ist ein Olymp der Oldtimerrennen. Man kann nicht einfach mitmachen; die Vergabe der Tickets ist ähnlich einer ehrenvollen Einladung. Mein Kompliment dem Fahrer!!


Meine Augen jubeln: 

Der silbergraue Aston...

Ferraris aus den Anfangszeiten des Autosports, und noch ein Jungspund: 

Ferrari F40. 

Frech kontrastiert sein geschlitztes Heck aus Plexiglas zum Rot aller Rots. 

Die Sitze laden zum Raketenstart. 

Ein Fotokünstler hat diesem Überflieger zu einem buntbrausenden Schnappschuss verholfen. Keine Fotomontage übrigens. 

Nicht ganz so schnell, aber zielstrebig brechen wir auf zum Kontrastprogramm: Mariazell, der berühmteste Wallfahrtsort Österreichs und einer der wichtigsten Europas. Über waldige, kurvige Hügelstrassen windet sich der Rover dem weltberühmten Dom entgegen.

Wir sind nicht allein. Es kursieren Zahlen von  rund 700’000 Besuchern jährlich. Klar, haben die letzten Päpste vor der verehrten schwarzen Madonna gekniet, die im gold-silbernen Ornat beinahe verschwindet. 

Dann war es in den barocken Hallen vermutlich still oder orgelbeschallt. Was mich hier erstaunt: Es wird geschwatzt und gelacht. Verküsst und umarmt. Vor dem Antritz der Muttergottes. 

Die Contemplatio wird auch geboten, jedoch im hinteren Teil der Anlage, in der Grotte. Ein Lichtermeer von Hunderten von Kerzen unter rauchschwarzem Gewölbe. Ich werde still: Dank&Wunsch. Mein Kerzlein brennt!

Nicht, dass mein platzierter Wunsch dahin gegangen wäre, erklärt zu bekommen, was „Powidl“ sei, aber 100 Meter neben dem Klosterhof geschieht dies ad momentum tatsächlich. Während meine Freundin sich auf dem Viktualienmarkt zwischen geringelten Bettsocken, klimpernden Schlüsselanhängern, Heiligenbildern und Postkarten auf die Suche nach hübschen Rosenkränzen macht, besuche ich auf ihren dringenden Rat hin den „Pirker“ Lebkuchenstand. „Also gell.... ei Kräuterschapsl müesst kaufen oder aber ganz sicher ei Lebkuechen. Ohne dös gehts ned hoim!“ Ich möchte deshalb letzteren erstehen. Die Beratung fagt: „Jo wollens, Vanille, Nougat oder Powidl?“ Ich entscheide mich für das Unbekannte, das ich ab jetzt kenne: Pflaume. 


Nach so viel Wallfahrt ist uns nach Gfräsigkeit mit Charme und Niveau zumute.

Wer kennt in Wien nicht das „Steirereck?“ Austria-Gourmet von höchsten Gnaden. von der Familie „Reitbaur“ seit Jahrzehnten geführt. Die Eltern haben sich vor einigen Jahren auf das Land in den „Pogusch“ zurückgezogen. Wollten ganz klein wieder anfangen. Aber eben...Heute schon wieder ein sehr bekannter Ort für Geniesser. Und inzwischen über mehrere Räumlichkeiten und Gebäude verteilt. 

Hier ist nicht Schicki Micki... Uriges Ambiente... Wärschaftes.  Aber hoppla. Was äuge ich neben dem Willkommenshirsch? Ein Helikopter. „Do kommens schon manchmal ..... göll, die Promis.“

Oder ist zu hohen Lüften die Braut eingeschwebt? Sie steht gerade mit Hippyblumenkränzchen im Brigit-Bardot-Haar am Gartenzaun und strahlt mit ihrem Bräutigam, der doppelt so alt wie sie, aber Augenarzt, um die Wette. „Zweite Runde für ihn“, flüstern Insider mir zu.

Eine gemütliche Eckbank erwartet uns. Die Bedienung dirndelt flink an 

unseren Tisch; die Speisekarte gibt sich in Wandtafeloptik. Ich überfliege das Angebot und just wird mein Vokabularientank, der stets auf der Suche nach neuen Wortkreationen ist, geflutet mit steirischen Idiomen. Zuerst die 

Wahl zwischen „Spritzer“ (gespritzer Weisser) und „Steirer Blut“. Ich bin für Leidenschaft.

Und nun zum Essen. Der „Waller“, ein delikater gerätearmer Fisch. Nein..... nicht heut auf der Alm, aber wie wäre es mit „Kalbsbeuschel“ (Innereienragout) ? Da könnte man auch „Sterz“ (Polenta) dazunehmen. Bei „Kapaun“ wäre ich wieder worttechnisch bei den Leuten. 

Den hätte man aber vorbestellen müssen. Bevor ich in die Zielgerade der finalen Bestellung einschwenke, etwas Wurzelspeck, der hier auf jedem Tisch zur Selbstbedienung steht und ein Scheibchen Brot mit „Verhackertem“ (Aufstrich aus ganz fein gehacktem Rauchspeck). 

Zu guter Letzt setze ich auf Backhendl mit „Vogerlsalat“. Der Nüsslisalat ist allerdings gerade ausgegangen und so fliegt mir das knuspertastische Hühnchen mit Erdäpfelsalat zu. Hmmm sehr fein. Solche Bröseleien rufen nach einem erfischenden Nachspeis. Unverzüglich katapultiert mich die Dessertkarte auf den durchaus humoristisch durchlebten Kulminationspunkt meines Nichtverstehens: 

LATSCHEN-EIS!!??



Ich vertraue zuversichtlich auf die Annahme, dass kein durchgetretenes Schuhwerk aufgetragen würde, aber wie sollte ich auf die Idee kommen, dass eine „Latsche“ eine hiesige Bergkiefer ist. Deren junge Triebe werden gesammelt und zu allerlei Köstlichem und Heilsamen verarbeitet. Die Neugier ist fast unerträglich. Wie würde das schmecken? Allerdings übertrumpft schliesslich meine geheime Schwäche für Eierlikör die Versuchung. Geeist wird das Süsse sein, begleitet von einem „Braunen“, (Kaffe) der nicht „verlängert“ ist (Capuccino). So... nun empfehlen mir meine Freunde noch dahin zu gehen, wo man nach den Essen öfters mal ..... „Das muesst sehen, so originell.“ Und tatsächlich und nochmals eine Worttrouvaille 

„Scheisshäuserl“

Da erwartet mich ein riesiger Fels als Lavabo und ich lasse mir sagen, bei den „Buoben“ sei es noch interessanter. Erleichterung diretissima in einen Wasserfall!

Nachdem schon der dritte Helikopter eingekoptert ist, rückt auch für uns der Zeiger. Noch ein letztes „Bhüeti Gott“ und auf bald... „Bussi Bussi“ und wenns morgen noch für ein „Kunst-Schmankerl“ langt: „Grazer Kunsthaus.“ meine Antwort schon ganz heimisch:

„Passt“!

Der „friendly Alien“ wie die Architekten den Bau genannt haben, erwartet mich am Sonntag Morgen. Viel Zeit bleibt nicht für das neue Wahrzeichen der Stadt, das ich „amputierter Oktopus“ getauft habe. Im Volksmund existieren weitere Übernamen. „Schnecke“. 

Ja... es ist Frevel... ein solches Highlight im Schnelldurchgang abzuspulen. Aber das aktuelle Thema: „Glaube, Liebe, Hoffnung“ wäre sowieso tagfüllend. 

So bleibt es bei einigen Eindrücken... nur  einige Schmankerl der Exposition. Kommentarlos. Einfach für ein erstes Schnuppern. 


Das war, wie der Appenzeller sagen würde: Ein herrliches „Drüberäbi“ zur ganzen Schmanklerei der letzten Tage. Ja, wir Schweizer könnens auch! Dialekt,  Dialekt und deshalb  statt „ba ba Graz“


Tschüss und uf Widerluege!


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Kommentare: 2
  • #1

    Cornelia Elsener (Mittwoch, 11 Juli 2018 09:13)

    Heimweh pur! Danke, für die Führung durch meine Heimat. Wie immer originell und anschaulich beschrieben, als ob man mit dir dort wäre.
    Irgendwie hab ich jetzt Lust auf Powidl :-)!
    Liebe Grüsse!

  • #2

    Martin Gisler (Donnerstag, 12 Juli 2018 20:59)

    Super ich liebe Österreich
    Danke.
    Aber Schade das du da schon weg bist aus Graz. 20 min weiter dann wärst du bei unserem Parkett Werk in Weiz gelandet. Weitzer Parkett ist mit über 180 Jahren in der siebten Generation das älteste Parkettwerk Europas.
    Lg Martin