Winterzauber! Winterzauber! Ja genau.... den habe ich für die heutige Abendexkursion eingepackt. Noch ächzt Europa unter der Hitze. Aber man soll ja immer der Zeit voraus sein. Die Kälte kommt bestimmt.
Melanie hat uns vorgewarnt: „Zieht alles an, was ihr habt. Es wird wirklich klirrend auf dem Schiff.“ Neben dem Wärmebeutel findet deshalb ein besonderes Fläschlein in meinem Rucksack Platz. Innere Wärme!
Wir und gefühlt weitere 40
Chinesen, alle mit 30cm-Teleobjektiven bewaffnet, tuckern aus dem Hafen von Illulisat. Die einen vergnügen sich auf dem korrallerot gestrichenen
Oberdeck. Die andern unten in der Kabine. Kaffee und Tee können kostenlos eingeschenkt werden. Es wird geschwatzt und gekichert. Dann wieder an die Luft gestiegen, die merklich frischer geworden ist.
Unser Guide holt ein grosses Netz.
Er fischt Eisstücke aus der See. „Ihr werdet bald verschiedene Farben Eis entdecken: Blau, Weiss, Grün und Euch vielleicht wundern.
Unser Guide hält einen faustgrossen Brocken in die Luft. „Seht, dieses Stück ist glasklar. Es ist Eis, das einmal aufgetaut ist, dabei entweicht Luft. Wenn dieses Wasser wieder gefriert, reflektiert es in blauer Farbe, weil kein Sauerstoff mehr drinn ist. Anders das Eis, das nie schmolz. Die Luftbläschen darin ergeben die weisse Reflexion und, wenn Algenteilchen ins Eis geraten, selten, Grün.“
Nun sind wir natürlich neugierig. Strömen an Deck. Sind plötzlich von Eisbergen umringt. Tatsächlich, hellblaue Linien durchadern da und dort die weissen Wände.
Aber auch lichtes Grau kontouriert bizarre Formen.
Wir können uns kaum satt sehen. Die Chinesen verfallen der Knipsomanie. Nach geraumer Bewunderungszeit sind die Finger steif, durch die
Kleidung schleicht Icefeeling. Das ist mein Signal! Winterzauber!
Ich trommle meine Ko-Voyageurs zusammen und ziehe mein Fläschen von Etter hervor. „Schauts Leute: Süss verführerische Aufwärmung habe ich Euch aus Zug mitgebracht. Der neue Winter-Pflümli-Likör wird Euch intern wärmen.“ www.etter-distillerie.ch So macht die hübsch mit Alpenchick und Matterhorn gestaltete Flasche eine leichtfüssige Runde. Ein Prosit aus allen Ecken und ein unisones Mmmmmmh... Daaanke... und hats noch was?“
Wir schwelgen gerade im süsslichen Genuss, als eine Stimme ertönt:
„Da, Richtung zwei Uhr. Ein Wal.“ Alle stürzen sich nach Steuerbord. Glänzend-ölig-schwarz durchschneidet seine Rückenflosse das bewegungslose Wasser. Nach zwei Sekunden, dann taucht er seinen Körper, in elegantem Bogen biegend, wieder ab. Meterhoch jagt er seine Atemfontaine. Nachfolgend die gigantische Schwanzflosse.
Vor ihm ruht das ewige Eis. Es schattiert in Grau und Silber. Die Berge und der Wal.
Du hörst die Zeit. Die Zeit, die war und jene die kommt. Der Riese atmet ein....An Dein Ohr dringt dieses Rauschen... wenn er den Sauerstoff einzieht... Er atmet ein.... er atmet aus.... er atmet ein... Stille... totale Stille..... Er atmet aus..... er atmet ein..........ICH atme ein... ich atme aus ...Ich atme ein..... ich atme aus.
Über meine Wange zieht ein kleines Rinnsal. Kurz vor dem Gefrierpunkt. Eine Eisträne.
Es ist der Moment, in dem sich menschliche Emotionen verflüssigen (was auch immer ein Physiker dazu meinen würde). Soll ich sie abwischen? Um eine allfällige, mich in den Alltag zurückziehende Frage eines Mitteisenden zu vermeiden, ob es mir nicht gut gehe? Dabei: „Es geht mir fantastisch.“
Nein, das salzige, fast an meiner Haut gefrierene, Wässerchen darf bleiben. Und wenn die Frage trotzdem kommt:
„Meine Seele hat grad Ausgang. Auf einem der schönsten Flecken der Erde, den ich je sah.“ Sie tanzt über H2O in seiner majestätischsten Form. Schwingt sich auf eine Zuckerspitze, die sich im Platin und Gold, das die versinkende Sonne auf die Fläche zaubert, schemenhaft spiegelt.
Seele .....tanze, tanze!
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Werner Weber (Sonntag, 26 August 2018 19:00)
Liebe Franziska
Deine Reiseschilderungen brechen alle Emotionen. Mega spannend.
pino (Sonntag, 26 August 2018 19:03)
Also deine Schilderung über das Atmen, die hat es in sicht! Bravo! Und die Fotos - vor allem im letzten Beitrag - vom Eis, wecken in mir Südländer die alte Sehnsucht nach dem Norden.
Und der Pflümlilikör ... mmmmhhhh, besser kann man Werbung nicht mehr platzieren. Das meine ich ernsthaft. Jedenfalls hast auch die Lust darauf in mir geweckt :-)
Herzlich
Pino
Ekke (Sonntag, 26 August 2018 19:31)
Liebe Franziska,
phenomenal emotional,
Toll wie die fahrt
Albert Müller (Sonntag, 26 August 2018 21:36)
Prosit mit Etter Pflümli und herzlichen Dank für die grossartige Schilderung dieser Traumlandschaft*
Albert aus Zug
Maria Knist (Sonntag, 26 August 2018 22:56)
Hoi Franziska,
Faszinierend deine Bilder und Beschreibungen. So toll, danke!
Hansueli Maerki (Montag, 27 August 2018 09:10)
Ist wohl einmalig, diese Landschaft! Und bewegend beschrieben!