Kamtschatka“ tönt nicht nur geheimnisvoll. Die russische Halbinsel ist eine Feurige. 300 Vulkane. Unberührte Wildnis.
Für unsere Gruppe ein weiteres Highlight. Geplant ist ein Flug zum „Tal der Geysire“. Sensationell. Nur knapp 20’000 Personen pro Jahr erhalten das Privileg, dieses Naturschauspiel zu erleben. Die zweitgrösste Ansammung von Geysiren auf dem Globus. 90 Geysire und heisse Quellen.
Aktive Geysire gibt es übrigens nur an 5 Plätzen weltweit. Island, Chile, Yellowstone, Neuseeland und hier.
Der Jet setzt auf. Eigentlich sollten wir nun jubeln. Vorfreude.
Aber unsere Kiefer hängen tief.
„Hier der Käptn..... willkommen in Russland. Wie Sie sehen, ist das Wetter leider schlecht. Der Helikopterflug wird bei diesem Nebel nicht möglich sein.“ Lange Gesichter, niemand versteckt die Enttäuschung. So greifbar nahe dem Ziel und jetzt ausgerechnet: Nebel. Das Tal der Geysire ist ausschliesslich per Helikopter zu erreichen. Und heute Abend fliegen wir ja schon weiter auf das russische Festland. Etwas unmotiviert stelle ich mich beim Passbüro an. Es geht schleppend. Russland eben.
In der Empfangshalle wartet die junge Axana. Ein Lichtblick. Sie trägt eine silberne Jacke. Hatte ich nicht prophezeit, jemanden mit einer silbernen Jacke zu treffen (Artikel: Koffergeheimnisse). Das müssen wir bildlich festhalten
und auch sonst hebt sich meine / unsere Laune schlagartig. Axana winkt: „Alle zu mir: Der Pilot meint, er wird fliegen!!!“ Geklatsche und gegenseitiges Schulterklopfen. Wouwww!!!! Aber auch einige skeptische Blicke gen Himmel.
Auf dem Heliport wartet die imposante Mi-8. Sie erinnert mich an ein Rieseninsekt, eine Heuschrecke, und sie wird uns 16 nun in ihrem Bauch verschlucken. Hochgestiegen und ich fühle mich im Militär. Truppentransport. Zwei Bänke mit Sichheitsgurten. Im Rücken die runden Gucklöcher.
Die Rotoren bringen sich in Schwung. Ohrenbetäubendes Knattern. Gerne setze ich den gelben Pamir auf. Der Grashopper hebt ab.
Die nächste Stunde werde ich über einer mystischen Landschaft schweben. Keine Strassen, keine Zivilisation. Die Berge... bis in die Spitzen baumbestanden.... haben es mir angetan. Grünes Meer. Ihre Rücken.
Wie blauschattierte Wellen. Vorne intensiv leuchtend....In der Ferne: Schieferschwarz.
Dann wieder einsamweite Flusslandschaften.
Die Gewässer mäandernd durch die Ebenen, farblich getaucht in frisches Lemongreen.
Die Tektonik wird kantiger, prägnanter. Ich muss schauen... schauen...was schon eine Stunde vorbei? Hinter einem Bergzipfel nehme ich weissen Rauch wahr. Wir sind schon da?
Tatsächlich, eine Holzlodge, ein Helipad. Unser Gümper landet punktgenau.
Ich steige aus... es regnet leicht.... ich bin begeistert.
Ein Tal als Dampfkochtopf?
Aus unzähligen Ventilen scheint die Erde ihr Temperament zu entlassen.
Ich erinnere mich, was Axana berichtet hatte: „Pro Woche rund 300 Erdbeben. Das letzte grosse vor einem Monat: 6,5!!“
Wir sind wissbegierig. Der lokale Führer nimmt uns auf die Wandertour mit. „Immer schön auf dem Holzsteg bleiben, die Erde kann brennend heiss sein! Ja und Bären haben wir übrigens nicht selten hier: Er grinst: Warmes Wasser.... Bären-Spa!!“
Das Tal der Geysire wurde erst 1948 per Zufall von der Hydrologin Tatjana Ustinova entdeckt. Sie untersuchte das Gebiet, machte ihre Entdeckung aber erst 14 Jahre später publik.
Was wir jetzt sehen, ist Heissblütigkeit unseres Planeten in vielfältigster Form.
Rostrote Krater, deren Ränder wie Scherben spalten.
Darin blubbender Schlamm.
Kleine, siedende Teiche in „Bleu éternelle“ leuchtend mitten im saftigen Gras.
Gefleckter Boden. Mineralien... Farben... Rot.... Eisen. Gelb.... Schwefel.
Qualmig-weisse Dampfsäulen ... hier und hier und hier und da... An den Abhängen... mitten im Fluss. Auge, wo willst du weilen. Überall Fontainen.
Nun folgt der Auftritt des Champions. „Bolschoi“ der Grosse, genannt. Alle 68 Minuten jagt er seine Wassersäule.
Wir steigen ins Tal ab. Beobachten wie sich in seinem Loch die Wasserblase aufwölbt. Noch ist es nicht soweit. Geduld. Wir erfahren, dass 2007 ein gewaltiger Hangrutsch das Gebiet beinahe zerstörte. Viele Geysire begrub. Erst jetzt beginnen einige von ihnen wieder zu schiesssssen!!!.... oh wouwwww
„Bolschoi“ ist erwacht! 12 m hoch entlädt er sein hitziges Reservoir direkt neben uns. Ein eindrückliches Schauspiel! 10 Minuten zischt und spritzt er. Dampft er... röchelt er.
Dann STILLE. The Show is over.
Wir nehmen den treppenreichen Aufstieg in Angriff.
Zum Schluss werden wir von Melanie in der Lodge mit einem opulenten Büffet überrascht. Roter Kaviar, glänzend die Kügelchen... Königs-Krabben... Rentier und Hirsch. Zuviel ... zuviel. Offenbar ist aber das hier die einheimische Gastgebermentalität. Nur nicht Schmörzelen!
Und selbstverständlich steht das „weisse Wässerchen“ bereit....
Wodka... nastrovje!
Auf dieses Erlebnis darf angestossen werden.
Wir standen auf dem Feuerring....
„terra ardenti“.
„brennende Erde“
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Huber Elisabeth (Sonntag, 02 September 2018 08:16)
Liebe Franziska
Welch faszinierende Schilderung Deiner Einfrücke über das Tal der Geysire, (das Feuertal?). Deine Begeisterung ist wie immer richtig ansteckend.
Danke, dass wir an Deinen „Reisen teilnehmen“ dürfen.
Elisabeth
Albert Müller (Sonntag, 02 September 2018 10:20)
Schnee und Geysire erfreuen mich, aber auch die wunderbare Flusslandschaft -
deine Bilder sind so schön und eindrücklich, dass ich nun gar nicht dorthin reisen
"muss"... herzlichen Dank.
Albert, diesmal aus der ehemaligen Republik Gersau