Sie schimmern in Beige, schmiegen sich in fast unsichbarem Ocker an einen Fels, strahlen in leuchtendem Weiss. Die MAUERN. In der Landschaft des Omans dominiert Sand, Geröll, nackter Berg aber da, wo Dörfer, Städte sich ausbreiten, fallen sie unweigerlich auf. MAUERN. Jeder Omani erhält ein Stück Land (ca. 500 qm.), worauf er sein meist quadratisches, zwei bis dreistöckiges, Haus bauen darf. Der Baustil ist frei wählbar. Die Farbe Weiss ist vorherrschend oder abgtönte Varianten; so sieht es das Gesetz vor. Rostrot war das Farbigste, was kreativen Bauherren offenbar erlaubt wurde. Aber wie different ist die Vorgartenkultur zu unserem Land. Bei uns hätschelt jeder seinen Eingangsbereich. Einladend möchte man wirken. Pflanzen, Blumen, Dekorationen, Kunst ....aber hier ist nur Farbe, glatte Wand.... so hoch, dass Du garantiert keinen Einblick erhälst. Sie, die Wand, steckt das Grundstück ab.... lückenlos... abweisend. Die Tür, kunstvoll geschnitzt, ist stets geschlossen.... abgeschlossen.
Es gibt die Welt da drinnen und es gibt die Welt da draussen. Misstrauen? Nicht, dass ich als simple Touristin mir vorstellte, ich könnte einfach hinein... natürlich nicht... privat ist privat. Doch auch die übrigen Gebäude haben etwas in sich Gekehrtes. Ihr steinernes Schweigen kommuniziert Zurückhaltung.
Umso mehr erwacht meine Neugier. Was für Erlebnisse und Optiken würden sich mir im Innern eröffnen? Ein Streifzug behind the walls, und er beginnt in einer historischen Burg.
Habe ich gewusst, dass das Wüstenland rund 500 Festungen beherrbergt? Nein, ich war eher auf Beduinenzelte konditioniert, doch nun hoch die Treppen.
Assuf lädt mich vor einer der berühmtesten Anlagen namens „Jabil“ ab. Es ist heute bereits die zweite Burg. Imposant reckt sie ihre Rundtürme hinter entblätterten Büschen in den Blauhimmel. Selbstbewusst thront sie über den Palmenkronen einer Oase.
Punkto Historie habe ich allerdings erklärungstechnisch keine Erwartungen (mehr). Assuf meinte schon angesichts der ersten Festung, es gebe zu den Burgen keine Geschichte. Ich solle doch einfach die Atmosphäre wirken lassen. Nun, eine kreative Antwort, wenn man den Stoff nicht intus hat, aber für einmal lasse ich die Trutzige, die als eine der Schönsten des Landes beworben wird, geschichtslos sein. Ich erkunde sie; lasse mich von ihr hinter jeder neuen Ecke überraschen. Die arabesken Bögen ermuntern mich, durchzuschreiten.
Golden fällt der Sonnenglanz durch den nächsten torartigen Durchlass.
Stille. Keine Besucher... kein Geräusch von aussen.... sachte Kühle... ein leises Lüftchen findet seinen Weg in das Labyrinth. Ein langer Gang.... weiss gekalkt... unspektakulär, nur um mich auf das Treppenhaus vorzubereiten.
Auf seine anmutigen mit silbergrauen Ornamenten geschmückten Gewölben, unter denen ich hochsteige. Dem Licht entgegen. Es ist die schlichte Eleganz, die Ruhe, die mich die Geschichte nicht vermissen lässt. Vielleicht ist Assufs Nichtwissen gar nicht unzeitig. Reden würde nur den Eindruck stören. Sie, die Burg und ich... wir genügen uns in momento selbst.
Nach 4000 Höhenmetern rauf und runter (Artikel: Terra intimissima) gelange ich 3 Stunden später zu einem andern geheimnisvollen Komplex. Lehmfarbene Gebäudewürfel farblich mit der Felskante verschmelzend, auf der sie sich an den Abgrund eines riesigen Canyons herantastet.
Die strenge, kantige Architektur will nicht zum Namen des Hotels passen. „Anantara“. Ein Wort leicht wie Schmetterling. Eine Schöpfung aus dem Sanskrit: „Endlos, ewig“. Wahrlich ein Kontradictum: Der neue Komet am Omanischen Hotelfirmament zog in eine ehemalige Militärkaserne ein.
Die Lage ist atemberaubend.
Du stehst auf einem Infintysteg über dem Abgrund. Es ist wohl dieser Blick: „Anantara“. Die geologischen Schichtungen fesseln Deinen Blick, bevor er in die Tiefe gleitet, um sich im ewigen Schlund zu verlieren. Die Dämmerung zieht auf. Die haarigen Borsten des Penisetum Compressums wiegen sich in die Nacht.
Die Lichter im fast überhängenden Pool flackern auf und zaubern ein künstliches Azur in die felsige Scenerie. Aus massiven Steinschalen plätschert das Wasser.
Die Herberge ist ein einmaliges Erlebnis, wenn sie auch diesen Armeetouch nicht ganz abzustreifen vermag. Die Designer haben alles gegeben. Die Zimmer ein Erlebnis an Grösse und Geschmack,
das Restaurant gelungen. Eine gewisse Strenge aber bleibt. Sie korrespondiert so gar nicht mit Maliks Herzlichkeit. Er empfängt alle Gäste mit Charme und Schalk. Und nach dem variantenreichen und exzellenten Buffet kredenzt er den Kaffee auf Omaniart. Er, der Jüngling , aus dem Nachbardorf. Ein Einheimischer im Service.
Eine Rarität. Oman hat etwas über zwei Millionen Staatsbürger und nochmals soviele Gastarbeiter. Mancher von Ihnen wurde im Oman geboren, lebte immer hier, ist Muslim und wartet trotzdem seit 30 Jahren auf die Einbürgerung. Ich erfahre, dass sie zögern zu heiraten, weil sie den Kindern ersparen wollten, jährlich ein neues Visum zu beantragen, entwürdigend, wie sie es selbst noch tun müssen. Die Nachkommen hätten keine Wurzeln und wären dem ursprünglichen Herkunftsland der Grosseltern völlig fremd.
Höchste Zeit, Ausschau nach neuen Begegnungen zu halten. Die Expats und ihr Arbeitsort. Besonders gespannt bin ich auf die Hotelikone von Muscat. Das Al Bustan Palace. 18 Monate waren die Tore verschlossen. Totalrenovation. Katharina, die etwas formelle Assistant aus Stuttgart, begrüsst mich zur Hotelführung. Zwischen zipfligen Schneewittchenbergen war ich zum baulich eher klotzig wirkenden Gebäude vorgefahren.
Wie hier üblich: Es gibt von Aussen nicht preis, was Dich erwartet. Ich hatte schon von der Lobby gehört, aber was ich nun erblicke, plättet selbst mich als Weitgereiste. Meine Kamera ist überfordert. Millionen von Goldsteinchen formen sich zu einer 40m hohen Kathedrale. Der Swarovski natürlich einer der grössten auf dem Globus. Hunderte von Leds blinken zwischen den Mosaiken, den Sternenhimmel imitierend.
Katharinas Stimme dringt nur von Ferne an mein Ohr. Noch trinken meine Augen die Opulenz. Der Sultan hat geklotzt. Es ist sein persönliches Hotel, wo er zeitweise den Topfloor bewohnt. Die neu renovierten Zimmer sind gerade mal eine Woche alt, was sie hier im Erdgeschoss auch nicht grösser macht. Aber und das ist genial. Diese Räume haben direkten Privatzugang zum Pool. Quasi aus dem Bett direkt ins kühle Nass.
Die Gartenanlage ist sowieso ein Traum, der Strand zeichnet die perfekte Sichel in die Bucht.
An der Strandbar, die ab Dezember 18 als edles Steakrestaurant geführt werde, klingt der Tag unter eleganten Palmenwipfeln aus. Hier wird der ruhesuchende 5 Sterne Gast glücklich werden.
Da es Freitag Abend ist, erhoffe ich mir im Buffetrestaurant auch etwas Besuch von Einheimischen. Deshalb verzichte ich auf einen Tisch mit Blick auf das Palmenbassin aus 1001 Nacht und setzte mich mitten in die Showküche, so dass ich das bunte Treiben beobachten kann.
Die Zürcher Bankenprominenz, die auch vorbei prommeniert, interessiert dabei nicht. Tatsächlich es kommen arabische Gäste samt Frauencorso und Nachwuchs en grand complet. Sie stürmen die weissmarmorierten Thresen, wo die Köche hinter kupfernen Wärmelampen schnipseln, brutzeln und dämpfen. Es bleibt kein Auge trocken. Die Auswahl ist üppig und delikat.
Zwei ebenholzlockige Mädchen hüpfen mit ihren Rüschenröcklein vor dem Dessertstand herum. Ich muss sie einfach schmunzelnd beobachten. Da kommt die verschleierte Mutter auf mich zu und fragt in fliessendem Englisch, ob ich ihre Kinder fotografieren möchte? Kurzerhand stellt sie ihre drei Wildfänge auf, begutachtet mein Bild. Dann ist die „Audienz“ beendet, als wolle man nicht, dass unser Tun bemerkt würde.
„Omana“ die junge Phillipina tritt an meinen Tisch: Noch ein Glas Wein? Madame?“ Sie ist der Sonnenschein in diesem tadellosen aber auch etwas funktionalen Restaurent. Sie sei schon vor der Renovation hier angestellt gewesen und sie freut sich, dass ihr fröhlicher Humor an meinem Tisch geschätzt wird.
Der Abend ist schnell vorbei und das Al Bustan hat die Messlatte hoch gelegt. Würde mein Hotel, das Shangri-lah, mithalten können? Das riesige Areal versteckt sich hinter rosa Mauern. Drei Hotels stehen zur Wahl. Das Al Husn möchte die Anlage des Sultans im obersten Segment konkurrenzieren, schafft das aber nicht ganz. Es braucht keine Glitzerhalle, aber der Charme ist irgendwo auf der Strecke geblieben und für echten Purismus, der auch spannend wäre, fehlte der Mut. So wird mit pekuniären Anreizen versucht, der faden Piazza, dem Innenhof, wenigstens Abends ein wenig Leben einzuhauchen. Es gibt kostenlose Coktails. Dank dieser Aussichten lassen sich Paillettentops, Klunker und Armanischuhe in die Sitzkombinationen fallen, geniessen den complimentary Drink und tun, was alle hier tun: Observieren des Umfeldes und gedämpft Kommentieren, auf dass es die pradataschen-tragende Nachbarin doch bitte nicht hören möge.
Nix für mich. Ich gönne mir ein Downgrade und besuche die anderen Hotels bzw. deren Restaurants. Hier ist alles lockerer, quirliger, bunter und die Essenstempel stehen der Top-Liga in Nichts nach. Der Garten, die Pools sind verwunschen in die felsige Bucht eingebettet. Am Abend kommt zwischen den beleuchteten Felsen Dorfambiente auf. Es lebt und isst und für Letzteres ist Paul Wieser verantwortlich.
Der sympathische Chef, der über 25 Lokale, 160 Köche und 400 Serviceangestellten wacht, scheint omnipräsent zu sein. In allen drei Hotels schaut er persönlich zum Rechten. Er war vor 10 Jahren schon einmal hier und nun vor 4 Wochen aus Myanmar zurückgekehrt . Er brennt für seine Passion, kennt die Welt, als er als Jungkoch auf der Queen Mary die Welt umrundete und von vielen andern Stationen. Paul Wieser ist am Puls der Zeit.
Bald wird er ein einzigartiges asiatisches Restaurant eröffnen. Eine nächtliche Gassenküche in der die Gäste draussen flanieren können und sich bei den einzelnen Ständen die Speisen zubereiten lasssen. Von Satay bis Singapur Noodles. Dank dieser innovativen Führung wird sich das Shangri-lah problemlos neben dem Al Bustan halten. Es bietet ein unglaublich facettenreiches Erlebnis, jeder Abend kann anders gestaltet werden.... völlig anders. Und wer trotzdem mal mit dem
Al Bustan liebäugelt. Für CHF 40
gibt es dort Tagespässe für Pool und Strand.
Aber jetzt probiere ich noch ein Spezial-Naan-Brot eigens von Manjeed für mich zubereitet. Aus Rajastan stammend, betreut er hier die indische Ecke. Köstlich!! Die richtige Stärkung für mein letztes Mauerabenteuer.
Der Carraramarmor verleiht schon ihrem Exterieur eine gelassene Leichtigkeit. Die Sultan Quaboos Moschee.
Ich hatte nicht gerechnet, dass ich als Frau das Gotteshaus betreten dürfte. Zuerst ist aber die Kleiderinquisition zu bestehen. Der Türsteher versteht keinen Spass und punkto transparent wirkenden Stoffen hat er seine Instruktionen. Mit meinen Schichtenprinzip passiere ich zum Glück problemlos.
Der Gebetsraum für die Frauen kolportiert eine gewisse Strenge. 700 Frauen könnten hier beten, aber sie dürften auch zuhause Gott verehren, weshalb hier kein besonderer Schmuck nötig sei. Aha!!!
Wenig Sehenswertes, also direttisdima zum Hauptgebetsraum. Ich zupfe nochmals meine Umhüllung zurecht. Die Tür öffnet sich, die Mauern weichen. Meine Worte verblassen: Das herrlichste Fraktal, das ich je erblickte.
Der Teppich soll 1.6 Millionen Knoten pro Quadratmeter aufweisen, das Fassungsvermögen 20’000 Betende....Zahlen ..... Zahlen. Ich will keine Infos nur den Blick hinauf in diese Kuppel. Taubenblaue Bögen flechten sich zu geheimnisvoller Verbindung. Indigoblau strahlt das Zentrum, geheimnissvoll. Eine Illusion von Unendlichkeit? Die Farben finden sich im Kontrast der smaragdgrünen Glasscheiben. Inspiratio pur. Es gibt eine grosse
ENERGIE!!!
Steht nicht das Leben voller Mauern? Sie will gefunden werden. Verlangt unseren Effort, unsere Sensibilität, die Obstakel zu überwinden, an das Dahinter zu glauben.
Ruhe in mir. Gelassene Ruhe und ein Lächeln.
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Marlies Kunz (Mittwoch, 24 Oktober 2018 13:31)
Liebe Francesca...Dein Bericht über Oman ist einmalig ....Tausend Dank für Deine fantastisch gewählten Texte ...Man erlebt es mit Dir und bringt mir 1000 und 1Nacht etwas näher ...geniesse die wertvollen Stunden ..Mit einer lieben Umarmung...Deine Freundin Marlies❣️
Albert Müller (Mittwoch, 24 Oktober 2018 20:29)
Dein grossartiger Reisebericht über Oman mit herrlichen Bildern ist einzigartig und er erspart mir nun gleichsam die "kostbare und zeitaufwändige Reise"... Herzlichen Dank*
Hansueli Märki (Donnerstag, 25 Oktober 2018 16:34)
Zuerst so schnell mal rund um die Welt und dann das hier! Oman. Reizt auch uns für einen Besuch, jetzt noch mehr als vor Deinem hervorragenden Bericht! Vielen Dank für diese 'Aufklärung'
Werner Weber (Samstag, 27 Oktober 2018 09:10)
Wenn ich dich nicht am Freitag, den 19. Oktober vor dem Restaurant Schiff anlässlich unserer Klassenzusammenkunft gesehen hätte!!!
Bei der Betrachtung dieser schönen Fotos und deines Erlebnisberichtes würde auch ein längerer Aufenthalt wohl nicht ganz falsch sein.
Margrit Staub (Freitag, 02 November 2018 11:56)
Der Zauber des Orients uebertraegt sich direkt in meine Gefielde. Herzlichen Dank fuer die wunderbare Reisebeschreibung Omans
Renata de la casa (Freitag, 09 November 2018 17:05)
Oman erleben, was denkst du nach all deinen unzähligen Eindrücken, den Norden oder eher den Süden? Oder grad beide Gebiete?