Black Beauty

Es sind diese wenigen goldenen Minuten zwischen Tag und Nacht, die uns Menschen fast magisch berühren. Während wir im hohen Norden diesem Schauspiel stundenlang zusehen können, feiert unser Fixstern am Aequator ein kurzes. aber umso fulminateres, Farewell. 

18.00 Uhr; ich bin gerade rechzeitig mit Paul am Strand von Beau Vallon (Seychelles) angekommen. „Ich muss nochmals weg, neue Klienten. See you später in der Bar vom Savoy“. Das ist mir mehr als recht. Meine Augen möchten trinken, meine Sinne Atmosphäre saugen. Eine Zeit des stillen Beobachtens an einem Ort, der gar nicht still ist. Ja trubelig und quirlig von da, wo der African- und Europa-Beat aus knackenden Lautsprechern durch das Laub der Takamakabäume herüberweht. 

Heute ist Créol Market, denn heute ist Mittwoch. Bunte Plastikzelte, Stimmengewirr, Grillgeschmack. 

Und 5 Meter weiter am Strand: Ein herrliches Spiel aus Wasser, Licht und Schatten, das es schafft, die Umtriebigkeit in meinem Rücken fast gänzlich auszublenden.

Während die Sonne hinter bauschigen Cumuli ihrem finalen Feuer entgegensinkt, kleiden sich die Wellen in sachter Farbigkeit: Changierendes Silber durchzogen von türkisen Reflexen und mangofarbenen Strömungen, die der leise Wind kräuselnd an die Oberfläche zaubert.

Die Dämmerung zieht schnell über das Himmelszelt. Ich beobachte wie die Schatten das Rot, das Gelb, das Grün des Tages verschlucken.

Gerade noch spielten die Kleinen mit in leuchtenden neonfarbenen Shirts am Strand; 

nun werden die Menschen zu scherenschnittartigen Siluetten. 

Reduziert auf ihre Haltung, ihre Statur, ihre Bewegung, ihre Stimmen. 

Ein Ball fliegt auf. Der Junge sieht ihm nach. Wird er ihm nachspringen? 

Derweil seine Schwester mit den anrollenden Wellen „catch me“ spielt. 

Unaufhallsam überzieht das Sombre die Szenerie. Umrisse, Wellen, Himmel, Kontrast. Die Nacht hat reduziert. The Time of Darkness beginnt.... jetzt. 

Paul ist noch nicht zurück.... also eintauchen in die Creolische Zeltstadt. 

Da köchelt und kichert es allenthalben. Der Renner, die Wachteleier, die in einer Multibratpfanne brutzeln. Eine lange Schlange  Heisshungriger hat sich schon gebildet. 

Die Töpfe nebenan entlassen würzig-scharfen Currygeschmack. Die Blätter des Zimtbaumes, Zutat aller Curries hier, recken ihre steifen Blattspitzen aus den Ragous. Mich zieht es zum Stand der Crêpes, wo halbe Leintücher fabriziert werden. Aber ich habe ja noch abgemacht. Enthaltung!!

Ich gebe mich in der Dunkelheit der Mélange der Düfte hin. Der Rauch des auf der Glutkohle dämpfenden Fisches

vermischt sich beissend mit dem süssen Duft der Bananenfritate. Aus einer Ecke schwappt ein fruchtiger Odeur von gegarter Ananas dazu. Entweder sich verführen lassen oder in die Bar des Savoy. 

Paul wartet. Das Savoy. Ich hatte es von hinten einmal gesehen. Alter Kasten.... doch jetzt im Garten.... wouww. „Alter Kasten?“ Das Personal tut belustigt... 3 Jahre... brandneu....jetzt im Innern des halbrunden Traktes bin ich sehr beeindruckt. Zeitlose Architektur.... griechisch-römisch inspiriert. 

Die Dunkelheit hat aus dem Garten ein Wunderland geschaffen. Der mit 700 m grösste Pool der Insel zackt sich puristisch sich duch die eigenwillig beleuchteten Pflanzen. Nicht ohne Stolz erzählt Paul, dass sein Onkel, ein lokaler Künstler, für die  Gartenarchitektur verantwortlich zeichne. 

Paul ist hier bekannt... und deshalb darf ich als Surprize auch auf dem romantischen Candlelight-Inseltischchen, das nur über eine Brücke erreichbar ist, Platz nehmen.

Mein Blick verliert sich im Mosaik des Pools. Eine Muschelfantasie? 

Die Virgin Colada erfrischt meinen Geist und meine Neugier auf die Menschen. Die Menschen Afrikas. Passend zur reduzierten Beleuchtung: Wir landem beim Thema Hautfarbe. „Was ist denn typisch Seychellois.?“ Paul holt aus: „Wir haben alles. Die ganz Schwarzen, die Helleren, die wir „Café au lait“ nennen. „Und mich“,  grinst Paul... „ich bin ein Schwarzer mit weisser Haut.“ Ja selten, aber das gibt es.“ La  nature.. tu comprends.

Die da neben uns kommen übrigens aus Kenia“. Ich schaue mich um...Ich bin überrascht. „Wie weisst Du das?“ „Schwarz ist nicht Schwarz. Ich kann einen Ganaher von einem Kenianer unterscheiden. Leichte Variationen und Hauttönungen. Wir erkennen das, und es gibt Shiny-Blacks und Matt-Blacks.“ 

Ich mustere die Umgebung. Tatsächlich . Bei diesen Ladies am Nebentisch glänzen die Beine wie poliert; ihre Begleiter dagegen präsentieren ihre beeindruckenden Bizeps ganz in Matt. 

Paul konsuliert die Zeit. „La Grande Maison“ wartet. „Ich habe gehört, dass da heute eine lokale Geburtstagsparty staffindet. Da wirst Du einiges zum Ausgehverhalten der Insulaner und vor allem dasjenige der Damen beobachten können.“

Unter dem offenen Mahagoni-Konstrukt des alten Plantagenhauses der Takamaka Rumdestillerie erwartet mich bereits Christine mit breitem Lachen. Küsschen, Küsschen von der begnadeten belgischen Gastgeberin und Nummer 1 der Insel. „Bienvenue à La Grande Maison“.  Ein Blick auf die Terrasse zeigt. Es wurde für eine grosse Gesellschaft aufgedeckt. Oh, was bin ich gespannt auf das Eintreffen der Gäste. 

Bis dahin wärmt sich eine der besten Live-Bands von Mahé schon einmal auf. Unter ihren ersten Akkorden bestelle ich natürlich, was denn sonst , die mit Rum flambierten Spaghettis zubereitet von la Chèfe im brennenden Parmesano Reggiano. Ohne das verlasse ich die Insel nie.

Nichts würde mich davon ablenken, 

aber dieses Mal ist es anders. Die Gesellschaft trifft ein. Zuerst das Geburtstagskind. Ein Kleid von einem andern Stern. Tiefer V-Ausschnitt, schwarz, duchzogen von einer oppulenten Strasse aus goldsilbernen Pailletten und Blimblim à discretion, umwefend die braune Haut umschmeichelnd. Ihre Kontouren nicht billig aber sehr hauteng und effektvoll nachzeichnend. Die unzähligen ebenholzfarbenen Rastazöpfe zu einem Chignon eingerollt. Sie kriegt von mir ein Daumen hoch. Ich ernte ein schüchternes Lächeln. 



Ich darf mich dem Thunfischtartar widmen. 

Minuten später rollt zumindest ein Teil der Gästeschar an. Stilletto Sandalen mindestens 10 cm scheinen Standad. Alle Ladies, und das sei hier normal, in Lang. Körpernah eingehüllt. Weisse Bandeau- Ausschnitte, üppige Stickereien auf schimmernder Seide. Stolz schreiten sie die Treppe herab. Hatte ich es gewusst? Die Seychellois sind matriarchstisch organisiert. Die Damen haben den Lead. Wohlgefällig neigen sie ihre Köpfe. Ihre aufwändigen Frisuren präsentierend. An den Ohren tropft Modeklunker. Einfach schön anzusehen. 

Die Herren geben sich eher bescheiden in einfachem Hemd und langer Hose und drücken sich separiert von den Damen  in eine Ecke des Gartens. Die Genders bleiben unter sich.

Die Sänger sehen ihren Einsatz gekommen. „I got u Babe“ verfängt sich im den rotierenden Ventilatorblättern. Nach dem Ausklingen des Liedes: Der Frontmann doppelt nach. Seine Stimme, so samtig, dass sie sich unter der gedeckten Tafel durchschiebt: Elvis: „In the ghetto“. Im Gras zirpen die Grillen. Das Laub bewegt sich leicht. Die Kerzenlichter flackern sich an die Wände. Ich könnte jeden Ton einzeln abschneiden. Diese Tiefe.

Die Gäste setzen sich. Alle Damen mit  der bevorzugten Aussicht zum Garten; nur der einzige Weisse, ein Herr mit unangebracht kurzen Hosen, hat weder  die Tischordnung noch die Kleiderordnung  verstanden. Nachsicht sei ihm gegönnt. 


Das Mahl beginnt. Die Stimmung allerdings eher verhalten. Nichts da von tropischem Palaver. Eher formell und wortkarg geht es in die Vorspeisenrunde. Die Seychellois sind zurückhaltend. 


Da kommt der Auftritt von, ich nenne ihn James, gerade recht. Und genau genommen ist es nicht seiner, sondern er finanziert ihn wohl nur. Vor dem kleingewachsenen Engländer mit Halbglatze und weissen Poloshirt schreiten SIE. Die ganze Halle hält den Atem an, 30 Köpfe drehen sich.
Zwei Black Beauties, jede rund 1.90 m hoch, in reines, bodenlanges Weiss, mit Schlitz bis in die Bikinizone, gewandet, stöckeln graziel die Treppe herunter. Naomi Campell im Doppelpack

Die superschlanken Deepblack-Shiny-Beine
blitzen bei jedem Schritt unter dem Satin hervor. Sie geniessen den Cat-Walk sichtlich und für Gesprächsstoff ist ab sofort gesorgt. Man vernimmt, die „Black&White Ladies“ seien Gäste auf der Jacht von James und von Kenia her angelandet. Nein eine Hochzeit sei es nicht... aber ich möchte mal vermuten, dass die drei wohl doch eine hohe Zeit zusammen haben.
Das sehen hier doch alle so.... der Abend hat Schönheit... in Black und allen Farben der Sinne.

Die Sängerin greift zum Mikrofon. 
„And I ( iaij) will always love youuuu!“ Mit geschlossenen Augen... ihre Inbrunst lässt das rauchigbraune Timbre der Pfosten erzittern. Die letzten Töne entschwinden in den Sternenhimmel. 

Black is beautiful.

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Kommentare: 2
  • #1

    Irmgard (Montag, 29 April 2019 10:45)

    Bei diesen Bildern und den einfühlenden Texten kommt bei mir Reisesehnsucht auf nach den Seychellen. Einige der Orte (Bilder von Beau Vallon) erkenne ich wieder.
    Weiterhin viel Spass Franziska!

  • #2

    Rena de la casa (Mittwoch, 01 Mai 2019 14:20)

    Gerüche,
    Geräusche,
    Gaumenkitzel,
    Farbenpracht und anderes mehr fürs Auge -
    Francesca lädt uns ein, Teil von ihren Eindrücken zu sein. ¡Muchas gracias!