Zugegeben eine Fahrt auf hoher See hat etwas Entrücktes. So ist der Alltag auch heute weit weg. Inzwischen habe ich die Seekrankheit überwunden und liege gemütlich auf Deck 9. Natürlich nicht allein. Zwischen diversen operierten Nasen, aufgepuschten Dekoltees und Schlauchlippen räkelt sich auch noch „Tarzan“, das einzige Sixpack an Bord und der „Prinz“, welcher Juglio Iglesias mit Schmalzlocken und Goldkettchen über dem schwarzen Brusthaar in Nichts nachsteht.
Die mehrheitlich Philippinischen Kellner wieseln derweil flink um die Stühle und lesen mir jeden Wunsch von den Lippen. Ein Merengueschäumchen hier, ein Jackfruitcoktail da. Ja, daran kann frau sich gewöhnen; ich blinzle in die untergehende Sonne.
Die ewige Frage des Menschen.
Ist da mehr als jetzt?
Ein Hier?
Ein Dort?
Klar getrennt?
Oder oszilierend?
Sich an den Rändern
Von Zeit zu Zeit vermengend?
Ich bin aus einer säkularisierten Welt nach Asien geflogen.
Mein Kulturkreis:
Man glaubt
oder nicht.
Und wer mehr Übersinnlichem Einlass geben möchte, wird schnell in die esoterische oder frömmlerische Ecke geschoben.
Asien:
Ein geheimnissvolles Kaleidoskop aus diviner Sinnlichkeit, die omnipräsent zu wirken scheint. Die dann aber doch erstaunlich geschmeidig mit materiellen Aspekten, mit der Normalität, mit dem (eher ?) nicht Göttlichen vermengt werden kann.
Wenn ich auch nur an Thailand, Singapur, Vietnam schnupperte;
Es sind diese kultnahen Erlebnisse, die mich besonders berührt haben.
Erste Erleuchtung bietet mir der Besuch des „Sanctuary of Truth“ (Heiligtum der Wahrheit) an. Ein reicher asiatischer Geschäftsmann fand, man müsste dem irdischen, hemmungslosen Treiben in der Stadt Pattaya einen Ort der (wahren) Werte entgegenstellen.
Auf einer Landzunge begann er deshalb mit dem Bau eines Werkes der speziellen Art.
Entstanden ist der grösste Holzbau Thailands. Die aus diversen Religionen entnommenen Motive als auch die ganze Statik sind ausschliesslich nach alter Handwerkskunst erstellt. Keine einzige Metallschraube findet sich hier.
Vorerst wird noch fleissig gewerkelt,
weshalb alle Besucher einen Helm zu tragen haben.
Ausser man vertraut für einen kurzen Moment dem Gott aller Baustellen und der (nicht) fallenden Hölzer.
Die Führerin nimmt meine Gruppe nun mit auf die Fahrt durch Pattaya. Dass man hier nicht nach der gereinigten Seele trachtet, ist bekannt, aber es ist noch schlimmer als ich mir vorstellte.
Die Führerin (und sie sagt dies als Frau) stellt Pattaya unweit des „Heiligtums der Wahrheit“ als Ort vor, wohin Männer „wegen crispy young chicken“ kommen. Junge Hühnchen versus Shiva und Co. Tür an Tür. Falls man nur eine klassische Thaimassage suche, dann bitte nicht bei den geschminkten Mädchen in uniformen Kleidern. „Die sind fake. Gute Massage gibt es bei ungeschminkten Damen, nicht aufgemacht in unscheinbaren Lokationen.“
Um Pattayas Grusel doch wieder etwas zu mildern noch schnell zum Buddha auf dem Aussichtpunkt (Smog). Ein grosser chinesischer Drache schlängelt sich die Treppe herunter. Hier kann nichts schiefgehen. Das Reptil faucht mit sieben Köpfen. Je mehr Köpfe, umso besser und stärker sein Einfluss.
Allerdings... mein Weg zur Läutetung koste natürlich etwas. Ohne Pekunia scheint nichts zu gehen. Ein Geldnötli
an einen Stick zu stecken wäre schliesslich auch meinen Vorfahren dienlich. Das Leben im Jenseits sei auch der steten Teuerung unterworfen und der Rest gehe als Unterstützung an die Mönche.
Aber Achtung: Nur nicht an den falschen Pfosten klemmen. Ich bin Sternzeichen „Hase“. Nur an diesem Turm kann sich meine Spende optimal entfalten.
Tja, also irgendwie scheine ich doch etwas falsch gemacht zu haben.
Ich komme zurück in die Schiffskabine und werde in den Passagieralltag zurückgeholt. Unsanft. Das Telefon blinkt, was meist nichts Gutes bedeutet.
Eine Computerstimme eröffnet mir, dass mein Ausflug morgen früh nach Bangkok annulliert wurde. Ich haste an die Rezeption. Grund? Achselzucken.
Ausflügsbüro? Schon geschlossen. Alternativen? „Keine, Help yourself. Sie sind auf Warteliste. Könnte ja doch noch klappen oder sie gehen auf eigene Faust. Bangkok ist allerdings 2,5 Stunden entfernt; der Verkehr unberechenbar. Aber Achtung: Das Schiff wartet nicht: Alle an Bord 17.30 Uhr.“ Ich schäume. Aber plötzlich, göttliche Fügung? Steht der Vielkreuzfahrer indischer Abstammung Dr. H neben mir. Er hatte die ganze Diskussion angehört, zückt sein Telefon. „Need help?“ Er habe heute einen hervorragenden Taxifahrer nach BKK gehabt, sagt es, ruft an, „Kim“ wird da sein: Morgen: 7.30 Uhr.
So kutschiere ich zum Schäppchenpreis mit Black Limousine, wo mich Kim genau zur Öffnungszeit am Grand Palace absetzt. Da wird es noch wenig Leute haben. Denkste. Chinesisch Neujahr steht vor der Türe.
Statt Gelbgold an den Prunkbauten sehe ich vor allem Goldgelb. Und das ist iridischer Fakt. Die den Verstorbenen huldigenden Pagoden weden umspült von einem chinesischen Körpermeer. Lucky you, wenn ein Foto ohne sie gelingt.
Auch wenn da und dort noch versucht wird, spirituelle Handlungen aufzugleisen. Es ist kein Ort mehr der Einkehr, wie ich ihn noch vor Jahren erlebt habe.
Eine Walze des Overtourismus schiebt sich durch die Mosaiken. Ich flüchte in die Wandelhallen. Da sind die Chinesen auch,
aber an den Tapeten lässt sich noch unbehindert das Götllich-irdische studieren.
Wobei ich mich frage, ob die dargestellten Damen den göttlichen Beischlaf noch vor sich oder doch schon hinter sich haben.
Es muss unbeantwortet bleiben.
Mich zieht es an einen weiteren Ort.
Wat Pho. Der liegende Buddha. Die Besucherzahl präsentiert sich hier erträglicher.
Der schlafende Buddha spendet Energie, gibt etwas Ruhe. Sein grosser Fuss mit Perlmuttintarsien gibt Eindruck von der grossen Macht.
Daneben eine Box: Geldgaben erwünscht. Ich habe keine Scheine dabei. So bleibt
der sanfte Goldschein seines Antlitzes; es vermittelt Gelassenheit, hoffentlich genügt dies, denn hätte ich gewusst, dass ich noch etwas Suport von oben brauchen würde.
Ich hätte Geld gesteckt und Lotusblüten geopfert. Hätte mich also vorbereitet.
Denn in Asien gilt:
Vorbereitung ist alles, um den Erfolg anzulocken bzw. das Unheil abzuhalten. Wie die Menschen in Vietnam, die für das kommende Neujahrsfest TET, bereits in histerische Emsigkeit verfallen. Neue Kleider müssen her,
gelbe Blumen aufgestellt werden, Geschäfte werden leergekauft, weil niemand während der Festtage Essen besorgen möchte. Alles müsse seine Richtigkeit haben. Akribisch wird jedes Detail gepflegt. Sonst bringe das Jahr Unglück.
So wie auch der Ladenbesitzer, in dessen Geschäft ich mich in purpurne Ohrenhänger verliebt habe, preaktiv schon mal dem Businessgott eine Opferplatte mit üppiger Mahlzeit aufgetischt hat.
Hmm...ein Vademekum der Götterbesänftigung wäre wahrlich dienlich.
Ob am Nachmittag in BKK noch die indischen Götter von Herrn Dr. H ihre Hände im Spiel hatten?
Nächster Blog:
„Der Fluch des Chaia Praya“
Meinen Dank, meine Contempatio konnte ich zwischen Hokuspokus, Ahnenult und irdisch verquickter Gläubigkeit, erst in Hanoi in einem Hinterhof platzieren.
Ein stiller Ort.
Gelassen der Silbermönch.
Er und ich.
Es wurde alles gut.
Kostete natürlich etwas!
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Werner Weber (Samstag, 18 Januar 2020 06:50)
Liebe Franziska
Du hast mich wiederum in eine für mich "verückte" Welt entführt. Mega spannend. Weiterhin viel Glück.
Rena de la casa (Samstag, 18 Januar 2020 08:05)
Gut, bist du wieder ganz zwäg und voller Tatendrang.
Bangkok - auch diese riesige Stadt wird 'überschwemmt' von Touristen aller Welt! Dort das Mystische finden? Doch hat deine Spende dir geholfen?!
Hab Dank für deine Beschreibungen und Fotos.
Georges (Samstag, 18 Januar 2020 08:47)
Deine authentischen Schilderungen gefallen mir.
Ein Tipp für Bankogkreisende: der liegende Buddha ist auch nach 21.00Uhr zu besichtigen. Ganz ohne Touristen rundherum.
DON PEDRO (Samstag, 18 Januar 2020 16:44)
Das passt ja geradezu perfekt zu unserem gemeinsamen Besuch des aus der Barock-Blüte stammemdem Kloster Einsiedeln vom kommenden Samstag, 25.2.
Gute Rückreise
Müller Albert (Samstag, 18 Januar 2020 17:49)
"Kultnahe Erlebnisse" fange ich leider nur in Zug und Gersau ein...und mit deinen fantastischen Fotos! DANK
RH (Sonntag, 19 Januar 2020 12:46)
jet setterin francesca, wie sie leibt und mega spannend lebt! danke einmal mehr für den superinteressanten und spannenden blog. roli