Bärlachs Comeback 1

Endlich Ferien. In der Schweiz natürlich. Auf in die für mich recht unbekannte Drei -Seenlandschaft und später in den Jura. 


Wie immer auf der Suche nach dem Besonderen, stolperte ich über eine Anzeige, die mein wasseraffines Herz höher schlagen liess. Der Name des Hotels zerfliesst auf der Zunge wie ein Gran Cru: „Palafitte“! 

Ich hatte schon schöne Sicht erwartet; aber das. Ich bin begeistert, entzückt. Die Seesuite 31 lässt mich über den türkisgrünen Wellen des Lac de Neuchâtel schweben. 

Das sehr grosszügige Zimmer verwöhnt mit kultigem Design. Bingo... 

Liegestuhl lass Dich besetzen. Das Plätschern, die Sonne, die Entspannung.... Ich dämmere weg.

Eine träumerische Fantasie an den Seen in leichter Anlehnung an Dürrenmatt: Der Richter und sein Henker.

......


Neben meiner Liege steht meine Handtasche, die mit den gestickten Rosen. Darin das graue, kleine Kuvert, das ich gestern noch im Milchkasten meiner Geschäftsadresse entdeckt und in Eile in die Tasche gesteckt hatte. Ich würde mich später darum kümmern. Doch gestern Abend hatte ja noch spät das Telefon geklingelt. „Kriminalpolizei Bern.“ Ein Räuspern... „Sie sind Frau Stadlin... tja... entschuldigen Sie noch so spät. Es ist unserer verdeckten Abteilung leider ein peinlicher Fehler passiert. Sind Sie im Besitz eines kleinen grauen Umschlages?“ Ich gab mich ausweichend und liess den Beamten weiter sprechen. „Unser Kurier hat  den falschen Briefkasten erwischt. Sie verstehen... hochgeheimes Ermittlungsmaterial. „Aha, es fühlt sich nach etwas hartem, eckigem an. Ein  USB Stick?“ „Hmmm .... genau, und der sollte eigentlich letztlich  in die Hände der Berner Polizei geraten. Ja hmmm ... und wir  haben ein wenig recherchiert und herausgefunden, dass Sie sich morgen nahe der Berner Grenze in Neuenburg einquartieren. Könnten wir eine unauffällige Übergabe organisieren? Ich meine im Gebiet Bielersee, Kanton Bern. Ein Katzensprung.“

Begeisterung sieht anders aus.  „Wo und wann?“ frage ich. „Kommissar Bärlach leitet den Fall... Sie verstehen.... DER Bärlach!“ Er wird Sie nach Ihrer Ankunft im Palafitte anrufen.  

Und so geschieht es. Bärlach meldet sich nach meiner Ankunft. Grosse Worte waren nie  sein  Ding: „Ich darf Sie Francesca nennen?“  Morgen um 10.30 Uhr bei der Kirche Ligerz. Falls Sie mit dem Auto kommen, parken Sie unten am Schiffsteg und wandern Sie den Rebenweg hoch. Allein!! Haben Sie ein Erkennungszeichen?“ „Ja, eine knallgelbe Jacke 

und wie erkenne ich Sie?“ „Lesen Sie Dürrenmatt:  Der Richter und sein Henker!“ Da erfahren Sie auch, wie ich am Bielersee meinen Fall gelöst habe.

„Also, wir sehen uns!“

Petrus hat an diesem nächsten Morgen schlechte Laune. Schnürlregen. Dichtes Gewölk. Nach 20 Minuten über Land habe ich bereits via Le Landeron und La Neuville, das Dörfchen Ligerz erreicht. Das Wetter wird nicht Spielverderber sein;  der Weg ( 50 min.) ist auch hübsch ohne Sonnenschein. Links von der Vinifun (eine kleine Standseilbahn) zweigt der Trail hangwärts ab. Schon die ersten Meter versprechen ein malerisches Erlebnis (wäre da nicht noch dieses Treffen). 

In den Ritzen der écrufarbenen Trockenmauern sideln Steinbreche, 

die frischgrüne Rebenranken strecken ihre schlingenden Tentakeln in den wolkigen Himmel. 

Steil die Steigung aber da ist schon das Kirchlein. Der Treffpunkt. Ich schlendere in den Vorgarten und richte meinen Blick auf den Bieler-See, der wie eine gouillochierte Silberplatte daliegt, scheue Sonnenstrahlen  einfängt; sie zum Glänzen bringt. 

Plötzlich ein Räuspern. Ich schiele in Richtung des Geräusches. Ein Mann, definitiv viel jünger als Bärlach.  Die Unauffälligkeit in Person. Ich wende mich noch weiter ab. „Ausgerechnet jetzt, muss hier ein Wandervogel rasten!“ Ein zweites Räuspern. Eine Stimme. „Francesca?“

Ich antworte überrascht. „Ich erwarte eigentlich eine andere Person; nicht Sie, Herr Tschanz?“ Ich ernte wenig Mimik aber eine leise stoische Stimme. „Glauben Sie wirklich, Herr Kommissar Bärlach kommt persönlich an ein erstes Date? Da schickt er doch seinen Assistenten vor.... wie immer (leichte Bitterkeit in der Stimme); nichts gegen Sie, Francesca, reine Vorsichtsmassnahme. Wir wollten sehen, ob Sie unseren Instruktionen folgen. Haben Sie den Umschlag dabei? Ich krame in der Jackentasche. Der Umschlag just zur Hälfte ausgepackt, da wiegelt Tschanz ab. „Schon gut, stecken Sie wieder ein. Mein Chef ist eitel; er will den letzten Schuss für sich. Sie verstehen.“

So stehen wir nun nebeneinander. Kein Augenkontakt. Blick auf das Wasser.

Ich muss nicht fragen, was jetzt geschehen wird. „Geniessen Sie den Weg mit dieser einmaligen Aussicht, Francesca. Wenn Sie jemanden kreuzen, mimen sie die Fotografin und warten sie, bis sie sicher vor Beobachtern sind. 


Steigen Sie in Twann die rund hundert Stufen hinunter ins Dorf. Dort begeben Sie sich zum Schiffsteg. Der Käpitän des angelandeten Schiffes, wird Ihnen weitere Informationen geben. Bärlach isst gern gut, sie wissen! Wenn nicht Montag wäre, wäre es das „les trois amis“ etwas oberhalb des Dorfes gewesen. Aber on verra. Sie hören von uns.

Tachanz entfernt sich ohne Gruss. 

Der Weg ist fantastisch. Beschilderungen führen mich durch Wissenswertes der Vignobles. Inzwischen hat der Himmel aufgeklart. Nie wirkt er so verspielt, so erfrischt, wie wenn er über die Wolken siegt. Würden sich die Alpen noch zeigen? Hinter mir verschwindet langsam der Turm der so oft fotografierten Kirche von Ligerz. 

Wildblumen säumen den Weg. 

Unter einer Brücke rauscht der Twannbach, der zum Besuch der sehenswerten Schlucht einladen würde. Wo moosiggrün bedeckte Steine vom Wasser umspült werden.

Im malerischen Twann verliere ich mich kurz in den Gässchen.... „ahhhh ... ich sollte doch zum Steg“. Tschanz hatte gute Arbeit geleistet: Ein Kapitän werkelt in seiner Kombüse. Es ist Mittag. „ Wollen Sie fahren?, ruft er mir zu. Der nächste Kurs lege erst um 14.30 Uhr ab. „Aber gehen sie doch essen“, meint er augenzwinkernd. „Falls Sie Hecht möchten, in den Bären... ansonsten in den „Alten Schweizer“, eine urige Beiz. Aber bitte, nie Egli bestellen. Alle importiert. Im Bielersee hat es keine mehr.“

Das Rennen macht der „alte Schweizer“. Nett auf die Gasse hinausgetischt. Ich warte. „Ein Ballon Twanner, bitte.“ Aus dem Lokal dringen die lauten Gesprächsfetzen einer hitzigen Diskussion. Stammtisch. Allerlei „Schlötterlig werden ausgeteilt. „Den „Assekuranztiger“ kenne ich (noch) nicht.

Obwohl ich etwas nervös bin, ein Schmunzeln wandert über meine  Lippen.  

Ich habe die Speisekarte schon vertikal und horizontal auswendig gelernt. Kein Bärlach zu sehen. Da plötzlich, das Mobile vibriert: „Ja hallo, hier Francesca.“

Bärlach: „Pardon, Madame; Abbruch der Übung.... sie wurden in den Weinbergen observiert.....

Haben Sie die Dame mit dem weissen Schirm bemerkt, die ihren Hund suchte? Wissen Sie, wir sind nicht die Einzigen, die diese Information um jeden Preis wollen!

Dumm gelaufen für uns... aber nicht zu Ihrem Nachteil. Es wartet ein angenehmer Abend auf Sie. In Ihrem Hotel werden Sie weitere Details erfahren.“

Ich bin gespannt, Herr Bärlach!“ Ich lege auf und obwohl ich weiss, dass Frittate oder Backen jeden Fisch seiner Individualität berauben  (deshalb bestelle ich nie Rötel gebacken), entscheide ich mich für Rotaugenknusperli. Wegen lokal... eben. Das Resultat gibt mir wieder einmal recht aber die Küche soweit solid. So gekräftigt, geht es danach dem Uferweg entlang 25 Minuten zurück nach Ligerz.

Kaum zurück und im Begriffe, mich durch die Fünfsterne Lobby des Palafitte zu schleichen, winkt mich der Conçierge heran. „Suite 31?“.      „Ja“ . „Eine Nachricht für Sie!“....




Fortsetzung unter:

Bärlachs Comeback 2

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Kommentare: 4
  • #1

    Georges (Dienstag, 30 Juni 2020)

    Jetzt wird es ja noch spannend...

  • #2

    Annalies (Mittwoch, 01 Juli 2020 02:32)

    Gespannt auf die Fortsetzung aus der Westschweiz und wünsche schönes Wetter,sowie weiterhin wache Augen in schönen Worten gekleidet. Liebe Grüsse.

  • #3

    Rena de la casa (Mittwoch, 01 Juli 2020 16:18)

    Diese Farben zaubern eine Atmosphäre herbei, die uns dein 'walk, crime and dine' noch spannender und lebendiger erleben lassen.
    Fortsetzung folgt, zum Glück!

  • #4

    Maria (Mittwoch, 01 Juli 2020 23:10)

    Freue mich schon auf die Fortsetzung��