Der Beginn.... der Anfang
Lateinisch: Initium
„Am Anfang war die Zeit“
Neuchâtel, Jura.
Ich bin im Land der Horlogerie
und so curieuse, mehr über die Schweizer Uhrentradition zu erfahren.
Sehr entspannt durch meine Erlebnisse im Dreiseenland, möchte ich nun wissensdurstig auf den Pfaden der lokalen Histoire wandeln. Als Einstieg bietet sich da unbedingt das IMH in La-Chaux-de-Fonds an. Das internationale Museum der Horlogerie.
Olivier, der Uhrenmeistro, wird mir später noch den Unterschied erklären. „Du kannst nachschauen, welche Zeit wir gerade haben und Du kannst Zeit messen. Das sind zwei verschiedene Dinge.“ Olivier und das Team „Initium“ werden mir übermorgen einen unvergesslichen Nachmittag bescheren.
Nun aber nicht zu weit vorgegriffen. Ich stehe in der Lobby des Uhrenmuseums vor Hans Ernis Oevres mit dem Titel: „Die Eroberung der Zeit“.
Fans von seinen Werken können hier in Kunst und Geschichte gleichzeitig schwelgen. Erni hatte die Bilder für die Weltausstellung des Schweizer Pavillons Brüssel 1958 gemalt. Er schafft es tout de suite, mich in die Materie eintauchen zu lassen. Er verquickt den Alltag der Uhrmacher, mit Farben, schwungvollen Linien und mechanischen Details. Und à la façon d’Erni erscheinen die Szenerien leicht, fast schwebend, luftig.
Ich schreite in die heiligen Hallen der Pendülen und ersten Stundensammler. „Was für eine Pracht“, entfährt es mir.
Olivier fügt erklärend an: „Bei den ersten Modellen ging es vor allem darum, wie man die Energie in das Räderwerk transportieren kann. Das benötigte eben Platz.“
„Ähhh, pardon, Olivier, Du bist noch nicht an der Reihe; das erzählst Du mir doch erst am Donnerstag?!“
Nun, ich vermische gerade die Zeiten, was ja nicht geht, aber eine Schreibende kann es.
Fahr weiter: „Olivier, s’il te plaît.“
„Die Anfänge der Schweizer Uhrmacherkunst liegen in der Vertreibung der französischen Protestanten (Hugenotten) durch Louis XIV. Nicht wenige Goldschmiede und Uhrmacher liessen sich in der Region Genf nieder; andere zogen weiter Richtung Neuchâtel. Zwar mussten die Goldschmiede in den calvinistischen Landen auch hartes Brot essen. Das Tragen von Schmuck war nämlich verboten. Calvin liess aber zu, dass Gegenstände mit funktionellem Charakter (wie eben Uhren), geschmückt werden durften.
Zusammen mit der Etablierung der Schwungfeder, welche die Uhr im Kleinformat und am Handgelenk ermöglichte, schlug damit die Stunde der Edelmarken. Es kam nicht selten vor, dass sich Entrepreneur-Familien zusammenschlossen, um mehr Marktmacht zu erreichen. Davon zeugen die vielen Doppelnamen: Jaeger- LeCoultre; Vacherin Constantin usw.
Das Geschäft begann zu florieren, gleichzeitig suchten die Unternehmer ihre Material- und Arbeitskosten zu senken. Bei den jurassischen Bauern fanden sie das willkommene Potenzial. Diese waren in den harten Wintern der Berge ohne Arbeit und lernten schnell, Einzelkomponenten wie Rädchen, Gehäuse ect. herzustellen. Dieser Erfahrungsschatz ist bis heute erhalten geblieben. Alle Uhrenmarken kaufen ihre Einzelteile in einen massgebenden Umfang bei den Zulieferern ein. So gibt es spezialisierte Dörfer, wie zum Beispiel LeNoirmont, wo praktisch ausschliesslich Gehäuse hergestellt werden.“
„Danke... Olivier!“
Ich drehe nun beeindruckt eine Runde im Musée und picke einige spektakuläre Stücke heraus, zu denen ich via iPhone die Erklärungen mithören kann. Mein Liebling:
Das Planetarium: Eine Mischung aus einer Kuppel mit Malerei à la Sixtinische Kapelle und einem Planetenkarussell.
Einmalig auf der Welt.
Am Ausgang des Museums warten noch Vitrinen mit lokalen Edelmarken für das Handgelenk. Die Ansicht treibt mir das horologische Augenwasser hoch. Begehrlichkeiten sind geweckt, hmmm, ehrlich....das waren sie schon vor der Reise.
Aber einfach eine Uhr kaufen? Mir ist eher nach Story, nach Aussergewöhnlichem, das sich nicht notwendigerweise im Preis wiederspiegeln sollte.
Nun darf ich kurz voller Freude in die nahe Vergangenheit hüpfen. Anlässlich meiner Reiserecherchen im Vorfeld dieses Tripps, traf ich auf ein magisches Wort:
„INITIUM“
In Anbetracht der Internetseite bekam ich freudig hohen Puls:
Ein kleiner Uhrmacherkurs und falls gewünscht: Selber die eigene Uhr designen und zusammenbauen. Ich bin Feuer und Glockenschlag.
Und jetzt Back to future:
Es ist Donnerstag; ich treffe in einem unauffälligen modernen Gebäude in Le Noirmont Philippe, den Marketingchef von Initium, meinen persönlichen Uhrmacher, Olivier und das ganze Team. Bei einem Willkommensespresso erfahre ich von der Initiumphilosophie:
„Von den Geheimnissen der Uhrmacherkunst hautnah erfahren“
Im besten Fall mit der Montage einer personalisierten Uhr.
Ich bin heute die einzige Kursteilnehmerin. Olivier weiht mich in die Welt der Rädchen ein. Bald verstehe ich, wie ein Uhrwek funktioniert; dass das kleinste Rad 5000 mal schneller dreht als das grösste; wie die Feder ihren Schwung bekommt.... und... und.
Und dann ist es soweit:
Philippe lüftet die schwarzen Satindecken auf dem Tisch. Darunter hat sich die Auswahl der Komponenten versteckt. Wuahhhhh!!! So viele Möglichkeiten.
Uhrwerke,
Zeiger
Gehäuse
Armbänder.
Zum Glück habe ich schon klare Vorstellungen. Ich käme sonst ins Rudern.
Mehr als 1000 Möglichkeiten. Philipp meint lächelnd: „Wir haben tatsächlich noch nie 2 x die gleiche Uhr gemacht. Die Kreativität unserer Kunden scheint unendlich, und wir wechseln die Teile von Zeit zu Zeit auch aus. Einige verschwinden; neue kommen hinzu.“
Zügig stürze ich mich auf die goldfarbenen Uhrwerke, ein Zifferblatt oder einen Zahlenkranz möchte ich nicht, damit ich das Innenleben immer vollumfänglich bestaunen darf. Das Gehäuse rotgold Breguet. Jetzt noch die Zeiger. Ich taumle zwischen schwarz und weiss-schwarz. Letztere leuchten in der Nacht. „Ja... ja Euch will ich.“
Olivier hat eine Engelsgeduld mit mir.
Später heisst es den Stift der Aufzugskrone exakt einzukürzen.
Tja... nach minutenlangem Schleifen... oh Francesca.... leider 2 mm zu viel weggenommen. Nochmals beginnen.
Jetzt passt es..... und was für ein Moment: Wir ziehen auf:
Die Unruh beginnt zu schwingen. Der erste Herzschlag „meiner Uhr“!!
So gehen wir Schritt um Schritt weiter.
Zum Schluss drücke ich mit einer Maschine das Glas auf das Gehäuse.
Nach dem Luftdrucktest für Wasserdichtigkeit .... nun noch zu den Armbändern. Ich bin ganz auf Gold getrimmt. Die Uhr soll auch Schmuckstück sein.
Nach der Geburt meiner „Initium“ wartet ein Apéro. Philippe beschreibt die Passion, die das Team antreibt, von den neuen Ideen, die hoffentlich schon bald lanciert werden können. Und da hat es ganz raffinierte dabei.
Olivier erzählt von seinem vielfältigen Leben, von seiner Zusatzausbildung am MIT in Bosten. Er ist der Mann für das ganz Besondere; er zeichnet für Luxusmarken Einzelstücke und baut auch Uhren seiner Eigenmarke „Skill Watches“.
Ich glaube, ich hätte das Thema Zeit und Uhr nicht besser erleben können. Der Tag kann ein perfektes Geschenk sein, für Menschen, die das Authentisch-Stilvolle lieben.
Eine Initium kann man nirgends kaufen; sie wird mit Deinem Denken unter Deinen Händen zum Leben erweckt.
Das macht sie einzigartig.
Danke Philippe&Olivier.
Am Anfang war die Zeit und
ich war am Anfang meiner Uhr dabei.
Ab initio
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Rena de la casa (Sonntag, 12 Juli 2020 15:02)
Da gibts für uns grad einiges über Uhren zu erfahren und lernen.
Nun trägst du dein goldenes Unikat mit Erinnerungen, Francesca!
Grazie mille!