Circledate

Die ehemals grösste Baustelle der Schweiz gibt sich futuristisch. Das Milliardenprojekt „The Circle“ am Zürcher Flughafen ruft anlässlich des Openings des Hyatt nach einer ersten Begutachtung. Nach monatelangem Konsumentzug führt, nein zerrt, mich mein ausgabebereites Portemonnaie in Richtung Shopping Mall und diese verzückt erst einmal mein architektonisches Auge.

Zwei Kuben in Schwarz und Gold dominieren den Hauptplatz. Hallo Welt... wo bin ich? Singapur...Vancouver....Chicago? Wouww.

Hier hat Jelmoli mit diesen beiden Highlights so richtig geklotzt. Im Goldtempel dreht sich alles um Sportbekleidung; hinter den schwarzen Fassaden des andern Würfels locken die Verzückungen, die sich „weitgehend“ ohne Pulserhöhung geniessen lassen. 

Wer mich kennt, weiss wo ich jetzt lande.

Im Innern gibt man sich classy. So zu sagen „the Best of“.... ein Sammelsurium von Bekleidung und Wohnaccesoirs wird durcheinander gewürfelt zur Schau gestellt. Gehütet wird das Angebot von einer Armada von übermotivierten turnschuh-befussten Jungverkäufern und -Innen. In den ziemlich leeren Hallen muss ich Ihnen wie eine umsatzbeteiligungssteigernde Fatamorgana erscheinen. Haaaa.... eine rare Spezies: „Eine Kundin“. 

Dementsprechend wird nun jede meiner Handbewegungen, jede auch noch so schüchterne Annäherung an eine Kleiderstange mit unzähligen Argusaugen verfolgt. Sinkt der Sicherheitsabstand zum Objekt unter 20 cm, stürzt sich eine Betreuerin auf mich. „Wir haben auch noch andere Farben... soll ich im Lager nachschauen?“ Ich flüchte in die Herrenabteilung. Der knabenhafte Vendeur will „seine“ sich in die zweite Etage verirrten Männer mit „Paul Smith“ (nie gehört) Fusstretern glücklich machen. 

Seine Beratungs-Grammatik schiftet fliessend zwischen DU und SIE. Damit trifft er in der Tonalität den Fokus jener Anzugstäter, die sich mit ein paar leuchtend weissen Sneakers in Kombi mit italienischem Zengatextil um zehn Jahre jünger schummeln wollen. Es funktioniert. Ein Generationen-Match. Käufer und Verkäufer sind happy. WIN WIN. 

Meine monetär-sündhaft degenerierten Gene leiten mich mit Lust auf das Besondere, aber noch nicht Gefundene, wieder nach draussen, wo die zentral platzierte Kunstkirsche anzeigt, dass jetzt Frühling stattfinden würde. Nach der Blendung durch die beiden Konsumtempel halte ich nun Umschau.... und bin ernüchtert: Es bitzeli Schoggi, einmal Designeroutlet, Coop auf Italienisch, Innenarchitektur und ein weiterer kleiner Kleiderladen, Apotheke. Audi plant noch einen E-mobilen Auftritt im Sommer. Un peu karg... wäre da nicht:....

Ich stehe vor den imposanten Glasfenstern. Ich schwöre es.... ohne Eintrittsabsichten. Wie von einer Geisterhand aus den Bond Filmen öffnet sich eine Riesentüre sesamsgleich. Und da sind wir auch schon fast beim Thema. Zögernd trete ich ein. Herr Steiner, der Geschäftsführer, winkt mich herein. 

„Herzlich willkommen in der grössten Omega Boutique Europas“! „Tja... ähhh...ich möchte nur gwunderhalber mich etwas umschauen, ich bin uhrentechnisch (zum Glück mit der richtigen Marke) ausgerüstet.“ Ich merke bald, dass hier Erlebnisse und Emotionen dargereicht werden. Auch für Nichtkäufer (Noch-Nicht-Käuferinnen).

Team Newsealand zischt für den Sponsor fliegend auf einem XXL Screen über die peitschenden Wellen vor Auckland und zelebriert den Freudestaumel über den gewonnenen Americas Cup. Für meine nostalgische Seite geleitet man mich zu einer Ausstellung seitlich einer Red-Carpet-Treppe. Meilensteine der Firmen-Geschichte. 

Eine Original Fackel der Olympischen Spiele. 

Omega auf dem Mond und im All.

Und dann .....möchte ich hauchen..... und darniedersinken: „Ohhhh...... James“.

Einige Präziosen aus der Welt des Superspions. Seit 1995 verlässt er sich auf eine „Seamaster“. Tief schaut er mir vom Schwarzweiss-Foto aus in die Augen, was bereits Bondgirl-Herzflattern verursacht. „Baby, wir sehen uns!“ 

Derweil seine Chefin M streng von einem Originalölbild herüberblickt. Will sie dem Agent ihrer Majestät etwas sagen? Ich verstehe leider ihr Flüstern nicht.

Ich reisse mich los. Oben wartet der interaktive Teil des kleinen Museums. An Schaltern und Knöpfen gehe ich auf Tuchfühlung mit den hippen Zeitmessern. Sensibilisiere mich zum Thema Magnetismus. Dieser kann verantwortlich sein, dass Uhren plötzlich nicht mehr richtig ticken. Hier kann frau an Ort und Stelle ihre Uhr überprüfen und falls nötig entmagnetisieren lassen.

Und nun: Ein wirklich unerwarteter Höhepunkt: Durch eine Goldtüre hindurch gewährt mir Herr Steiner Einlass in die VIP Lounge. 

Stylisch gestaltet schwebt der Raum über der Circle Main Plaza. Absolut cool. Danke für diese Geste, Herr Steiner.

Hat oder wird 007 auch einmal hier Platz nehmen / Platz genommen? Seufz!

Es ist Abend und es geht zurück ins nigelnagelneue Hyatt. Ich lasse mich libanesisch-arabisch im „Babel“ verwöhnen. Gute und reichliche Küche, aber leider dargeboten in Räumlichkeiten mit dem Charme einer Spreitenbach-Ost-Cafeteria. Keine Kerzen, keine Blumen, nichts Textiles auf den Tischen, die irgendwie die orientalische Cuisine andeuten würden. Es ist nicht der Ort, wo man extra hinkommt, um mit seinem Herzblatt Gemeinsamkeit zu zelebrieren. Flughafenhotel eben.

Meine Hoffnung liegt nun ganz auf der „Iris-Bar“. Ja, die hat was. Die Aussicht auf meine Architekturlieblinge. Der überdimensionierte Bartresen aus Band-Achat gefällt. Ich bestelle einen farbig-feurigen Drink und meine Gedanken verlieren sich in der blauen Halbedelstein-Sinfonie und in meiner Fantasie:

„Ach, das kann doch nicht wahr sein!“ Dynamisch peilt er die Bar an. „Martini....geschüttelt... nicht....!“

Er schaut sich um...und konstatiert, dass ich aktuell das einzig single sitzende Dekoltée in der Bar bin. OMG er nähert sich, nimmt Platz. Meine „Bloody Mary“ und ich stossen mit ihm unter zittrig-schmelzendem Blick an. Es will sich gerade ein sanfter Flirt entwickeln. Da summt seine Seamaster. Sein Blick wendet sich zum Fenster hinaus Richtung Rolltreppen, verengt sich. So sorry Lady. Ich hätte Sie so gerne ins „Sablier“, dem Trendrestaurant des Circles eingeladen. Fantastischer Blick auf den Flugbetrieb, französisches Flair, coole Einrichtung. Aber schauen Sie mal unauffällig nach rechts. Die Konkurrenz scheint mir auf den Fersen zu sein. Sie haben mich auf dem Radar.

Nun, wie Sie wissen, ich versetze selten und ungern eine Dame, aber ich muss verschwinden. Einen schönen Abend Ihnen“. 

Das ist jetzt bloody-blöd für mich. Ich sehe ihn noch, wie er sich im Stil eines Hürdenläufers über die Designerstuhlansammlung in der Lobby des Hotels hinwegsetzt, er sich tarzanmässig am Leuchter der gelben Treppe hinunterschwingt.

Seine Verfolgerinnen haben es bemerkt und kommen in die Gänge. James hat leichten Vorsprung, erreicht im Aussenbereich knapp die kleine Zahnradbahn, die auf den Hügel mit Circle-Plattform heraufführt. 

Die Türen schliessen sich. Die Agentinnen in Blond und Brünett drücken sich an der Scheibe die Nase platt, sehen ihn entgleiten. 

Wird er ihnen später auflauern und eine oder beide verf....?

In meinem inneren Ohr ertönt M’s Stimme... seine Chefin. Jetzt kann ich sie ganz klar vernehmen: „James... melden Sie sich, wenn Sie fertig sind... mit allem fertig sind... James! Sie wissen, was ich damit meine, Sie alter Jäger!!“


Ich erwache aus meiner Bar-Träumerei. Auf dem Tisch... mein Drink.... und ein Etui. 

Rot. Ich öffne es: My Butterfly.... ich wusste gar nicht, dass Omega Sonnenbrillen im Sortiment hat. Die schönste, die mir je begegnet ist. 

„Hmmm .... ich bin auf dem Zirkeldate also doch schwach geworden.... sorry James, Du hüpfst ja notorisch von Blüte zu Blüte.... aber ich war schon an einen andern Sommervogel vergeben“.

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Kommentare: 6
  • #1

    Albert Müller (Samstag, 08 Mai 2021 21:34)

    Herrliche Bilder - wie immer - aber diese Welt - Zirkeldate - ist und bleibt mir fremd - nicht aber das letzte Bild -

  • #2

    Irmgard (Sonntag, 09 Mai 2021 07:36)

    Das Schönste und Faszinierendste ist deine Träumerei in diesem Blog. Auch das Startfoto mit dem Kontrast Kirschblüte und kühle Architektur gefällt mir sehr.
    Irgendwann werde ich The Circle auch mal ansehen, doch eigentlich ist mir das alles noch zu leer und zu kühl.

  • #3

    Planson Michel (Sonntag, 09 Mai 2021 22:45)

    Merci pour ces impressions extraordinaires d'un endroit qui semble inspirant, ça se voit également dans les images que j'aime beaucoup
    Bien amicalement
    MP

  • #4

    Dorrit (Montag, 10 Mai 2021 16:53)

    Einfach köstlich zu lesen und Deine Bilder zu genießen

  • #5

    Rena de la casa (Montag, 10 Mai 2021 18:13)

    Träumen und in die Lüfte entschweben - da bist du im circle ja nah dran, auch ohne 007, dafür mit new butterfly...
    Merci bien, ma chère francesca!

  • #6

    Georges (Dienstag, 11 Mai 2021 19:09)

    Es freut mich, dass du auf Augenhöhe von James bist ....