Wie aufregend. 11 Michelin Sterne, 132.5 Gault-Millau-Punkte, versammelt in der Küche des Vitznauerhofes. Raphael, ich komme!! „Prima, Du bist gebucht“, lächelt Raphael Herzog, der Direktor des besten 4 Sterne Hauses 2021. „Übrigens, Dresscode: „White night!“ „O....oooooh“. genau jetzt driften meine Gedanken verzweifelt in Richtung Kleiderschrank.
Weiss = Mangelware. „Na, da werden doch nicht alle in Hell kommen“, träufle ich beschwichtigend
meinem Ego ein. Aber falls doch?“ Nach tagelangem Hadern wage ich einen Ausflug ins Outback der Kleiderstangen. Ein Oltimer mit graphischer Ausbrenneroptik und ein Top mit Zopfmuster, retten mich.
Und nun ist die Nacht gekommen.
Gut, bin ich kein Risiko eingegangen. Vor dem Eingang: Eine grosse Traube weiss Gewandeter. Und sofort verstehe ich, was den Reiz der Vorgabe ausmacht. Ein Thema, 137 verschiedene Umsetzungen. Von brautig zu Boho-Häkellook, von Shorts bis hautengem Stretchschlauch, von lässigem Leinenhemd zum Tropenanzug für Kreuzfahrer. Herrlich.
Der Auftakt ist fulminant.
Die erwartungsfreudigen Teilnehmer im „Blanc-de-Blanc-Exterieur“ werden sogleich mit kontrastierenden Flaschen, die ihren schlanken, schwarzen Hälsen einen holländischen Bierchampagner entfliessen lassen, in Plauderlaune versetzt. Oysterfans dürfen bereits vor dem Einlass schlürfen. Ich bin jetzt noch mehr gespannt. Dabei möge man es mir verzeihen, dass ich die raffinierten Gerichte im Folgenden nur summarisch und nicht vollständig andeute. Mein höchster Respekt vor dieser Kunst. Aber heute möchte ich mich nur „Herz über Kopf“ treiben lassen.
Via App konnte ich mich vorgängig, über die Standorte der hochdekorierten Gaumenzauberer informieren. Auf geht es zur Gourmet-Meile. Entgegen dem Mainstream, der Richtung Spa-Rezeption zu den Vorspeisen schreitet bzw. stöckelt, zieht es mich in den Garten.
Mystik. Das Abenrot hinter dem Bürgenstock zelebriert gerade sein Farewell. Die Dämmerung schiebt sich über das Gestade. Feuer lodern auf. Rauchig die Luft.
Als erstes erfüllt sich meine heimliche Sehnsucht: Fondue aus dem Chessi mit Vitznauerhof-Hausmischung vom UELIHOF.
M 50 cm XXL-Gabeln locken mich. Ich ganz in Weiss. Ja, ich will! Beinahe zwei Jahre ist das nun her. Der erste Biss. Es jubelt in mir!
Endlich: Fondue im Ausgang.
Nachdem sich mineralischer Weisswein von ADANK auf mein angeschlemmtes Fonduereservoir bettet, bleibe ich bei einem der zahlreich vertretenen Protagonisten hängen. Herr Würz vertritt GIMBER, das junge Start Up mit der innovativen Ingweressenz samt Tonicwasser. Alkoholfreie Dinks mit Suchtpotenzial lassen sich damit kreieren oder allgemein die Alltagsküche neu inspirieren. Cheers auf diese Idee!
Von hinten überrollt mich mitten im Ingwertripp eine unwiderstehliche Grillwolke, angefacht von MARTIN REAL 15, WEINLAUBE.
Mein Liebling, der Feuerring Ofyr, geniesst seinen archaischen, kupferschimmernden Auftritt.
Hackbraten vom heissen Metall mit Tätschli. Ich bin grad ganz weit weg von Schickimicki. Lagerfeuerromantik.
Langsam begibt sich die Aussentemperatur auf Sturzkurs, deshalb: Schnell in die gute Stube. Die Vorspeisen sollen am Spa-Empfang aufwarten. Leichter gesagt als getan. Via Garteneintritt verirre ich mich ins Dampfbad, das meinen angefrorenen Knochen durchaus auch wohltun würde.
Endlich ist die richtige Tür erwischt. Der Zauberer des Vitznauerhofes hat hier mit seinem Team die Entrées aufgebaut. Nur leider... leider ist der Meistro selbst nicht zugegen. JEOREN ACHTIEN ** 18, SENS, VITZNAUERHOF steckt tief im Bett. So ein Pech. Zu gerne hätte ich Dir nochmals gesagt, wie unvergesslich das Essen bei Dir im Mai war. (Blogbeitrag: SENS). Danke und gute Besserung.
Nach Mini-Töstchen mit Schmelzimplosion und hexengrünen Sorbetcornettos (Kaviar ist schon weggefuttert) werde ich von fetziger Musik in Jeorens Reich, seine Küche, gelockt.
Seine Sternekollegen haben hier das Zepter übernommen. Was für eine Stimmung. Die Meister der kulinarischen Musen (alle, samt ihren Teams, schwarz gekleidet) hantieren hier mitten im weissen Gästegewusel.
Jeder und jede will natürlich bei der Geburt der Sternehighlights persönlich dabei sein und den Chefs über die Schulter blicken. Da wird gemixt, mit der Pinzette drapiert und geträufelt. Hand in Hand ..... eingespielt.
Ich gerate gleich in den kochtastischen Olymp. Stefan HEILEMANN** 18 WIDDER ZÜRICH (Koch des Jahres 2021) führt gerade zarte Langostinos in einer magischen Curry-Fusion ihrer Adelung zu. Komm, Tellerchen, komm! Puah meine Gaumenknospen geraten ins Delirium.
Ein Meistro. Wie kann er in all dem Partyambiente noch so ruhig sein und sogar noch Fotozeit haben? Smile!
Ich muss Platz machen. Andere möchten auch.
Links hinter dem Kerzenpodest wartet der Senkrechtstarter der Szene von MAGDALENA RICKENBACH, das erste rein vegane Spitzenlokal unter der Aegiede von DOMINIK HARTMANN ** 15.
Bei ihm haben heute butterweiche Steinpilze mit Kartöffelchen und brauner Butter ihren Auftritt. Da könnte ich gerne nochmals zugreifen, doch rechts um die Ecke wartet IGNIV BAD RAGAZ.
Unter der Leitung von SILVIO GERMANN ** 18 geht gerade ein Geflügelparfait (Bild des Gerichtes erst in Entstehung) auf einen Dreier mit Zartbitterschokolade und Pflaume ein. Diesem Abenteuer gehört nach Vollendung meine nächste Neugier. Und während ich zusammen mit der Mousse in Begeisterung dahinschmelze, zeichnet sich in meinem Rücken der nächste Augenzucker ab.
Krosses Grün mit Hering im Eigelbbad. Ein Gedicht. Die Macher mit Chef SIDNEY SCHUTTE **18.5 sind aus AMSTERDAM angereist:
Jetzt meldet sich schon einmal leicht die Füllstandsmessung meines Magens. Meine Reaktion. Ignorieren. Ich muss,
denn bei Team ROBIN VAN DE BUNT *17
vom Restaurant DE LEUF wird gerade ein Seabasstartar eingekreist. Dergestalt in Form gebracht,
wartet die Dressage mit der Spritztüte, welche divine Mayonnaise auf die Komposition dressiert.
Vom Ring befreit, wartet nur noch pure Lust und auch den Kreateuren steht beim Überreichen der Teller die Freude ins Gesicht.
Bleibt noch im Nebenraum die diesjährige Sommergastköchin des SENS. Aus dem Gastromekka Peru stammt CLAUDIA CANESSA 14, die mir erzählt, dass sie für den Winter ins Kulm St. MORITZ, dislozieren wird.
Mit einem feurig-temperamentvollen „Cevice-Gruss“ rundet sie meine Hauptgangsentdeckungen ab.
Passion auf der Zunge.
Bei Wein und Kerzenschimmer darf noch etwas gefachsimpelt werden. Nach und nach leert sich nun der Ort der Verzauberung. Die Chefs geben Gas. Der Chromstahl blitzt. Auch sie möchten sich nun unters „Volk“ mischen und im Jugendstilfestsaal abtanzen.
Rafael Herzog hat hier für die geeignete Illumination gesorgt. Unsere weissen Tenues dürfen nun in allen Farben strahlen.
Heisser Drumm kriecht in meine Ohren und ordentliches Zucken in die Füsse.
Die Band greift in die Tasten.
Das Sax jammert und klettert,
die Lead-Lady singt sich in den „Rock-your-Life-Modus“. Es geht ab.
Nach solchen extatischen Intermezzis locken die süssen Gelüste am Dessertbuffet von ANDRE SIEDL WIDDER ZÜRICH, der eine „gute Louise“ präsentiert, während vis à vis kleine süsse Schmankerl kokettieren:
Peanuts, welche Bananenaromen verbergen.
Elfenbein-Schaumküsse ummanteln Himbeerkapriolen,
Misopralinen überraschen und ... und.
It‘s a sin! Genauer mehrere.
Räs geht es auf dem Käsetisch zu und her. ROLF BEELER lässt Vacherin and more vom Löffel laufen.
Tranksame allenthalben warten auf weitere Verkostung. „Zäme“ präsentiert eine aufregende Kräuterlimonade made in Nidwalden und
als Gegenpool gleitet 20 und 30-jähriger Tawny in die Portweingläser. SABORES DE DUORO.
This is the end. Für mich: Der perfekte Abschluss. Samtig, warmes Finale für meine erste „White Night“. Diese Unschuldsnacht in der ich den schönsten Sünden verfallen bin.
Ich hab sooooo kein schlechtes Gewissen!
Kommentar schreiben
Doris Bühlmann (Donnerstag, 14 Oktober 2021 15:13)
Gut so, meine Liebe
furter margrit (Donnerstag, 14 Oktober 2021 15:17)
herrlich, wie immer! ich freue mich so, wenn ich (momentan in chemotherapie) wieder alkohol geniessen kann.
franziska, mach weiter o.
Albert Müller (Donnerstag, 14 Oktober 2021 17:45)
Kunstvolle Aufnahmen - Vitznauerhof - in nächster Nähe einer ehemaligen Republik - mir bestens bekannt, vor allem wegen den CSL-Architekten ( u.a. Pascal Locher ) aus Zug, die für die fachgerechte Renovation einen Preis erhielten!
Sonja Wöss (Freitag, 15 Oktober 2021 21:18)
Wieder mehr als Genuss!
Danke Franziska für die white night �
Rena de la casa (Sonntag, 17 Oktober 2021 19:29)
Da läuft mir grad das Wasser im Mund zäme!
Kreativität, Inspiration und Präsentation der Speisen zauberten ungeahnte Gaumen- Höhenflüge in dir: Genuss pur!
Grazie, Francesca.