Unexpected

Es ist Sonntag Morgen. Alles bereit. Seit Januar habe ich diese Reise geplant. Morgen werde ich über Kopenhagen auf die Färöer Inseln fliegen. Endlich Inseln… wilde… entlegene. Nur Kabinentrolley. Man hört ja von Chaos an den Flughäfen. Also leichtes Gepäck. 


Das Morgen-Gipfeli bleibt mir allerdings fast im Halse stecken. Gemütlich wollte ich mich gerade online einchecken, da… ein roter Balken. „Ihre Tickets konnten leider nicht ausgestellt werden! Melden Sie sich bei der Reiseagentur!“ Das tönt nach Ärger. Und so ist es. SAS hat den zweiten Flug kurzfristig gestrichen. Streik!

Herr Jetzer von Kuoni Zug steigt trotz Sonntag frühmorgens in die Hosen. Bald hat er eine Lösung. „Heute Abend nach Reykjavik. 17.30. Schaffen Sie das ? Dort übernachten (noch ein Zimmer erwischt) und am nächsten Tag von dort nach Färoer.“ „Ja, ich kann und ich will…. unbedingt.“ Meine Kreditkarte erleidet die Symptome eines mittleren Schwelbrandes (Streik ist nicht versichert). Aber irgendwie ist doch Freude da. Eines meiner Lieblingsländer: Island! So lande ich abends unverhofft in Keflavik. Bedeckt. Regen.

Vor dem Szenario, die mir gebotenen  12 Icelandstunden in einem Flughafenhotel totzuschlafen, rettet mich die Fischergruppe aus den Reihen 1 und 4 des Fliegers. Die Stewardess liefert die zündende Adresse. „Kaldi-Bar“ in Reykjavik. Da wolle man sich zum Schlummertrunk treffen. Mit Taxifahrer „Harald“ geht es zügig die 45 Kilometer in die Hauptstadt. Unglaublich: Nachdem ich zuhause alles stehen und liegen liess, finde ich mich nun vor der imposanten Hallgrims-Kirche wieder, die über der Hauptstrasse steht. Eine Strasse, die eine Botschaft hat. Eine, die die Welt braucht. 

Beim Hinunterflanieren steigt manche Erinnerung an 2016 auf. Meine unvergessliche, amüsante und pannenreiche Rundreise durch dieses sagenhafte Land. 

(in diesem Blog unter bunte Reiseberichte: „On verra am Polarkreis“ zu lesen). 

Beim schwarz-weissen Haus heisst es Richtung Bar abbiegen. Und siehe da. Bald ist die Truppe da. Das Gull (Bier/Gold) fliesst in uriger Kneipenatmosphäre und ich lerne noch vieles über das Fischen in Island und generell. War auch Fischerlatein dabei? Auf jeden Fall „Petri Heil!“

Harald, der redselige Driver mit verspiegelter Sonnenbrille und Dächlicap bringt mich wieder zurück zum Flughafenhotel. Ich frage noch, ob er auch Ausflugstouren anbiete. Nur so interessehalber. Ich fliege ja nach Färöer. 

Atlantic Air, die (noch) arbeitende Fluggesellschaft von Fähringen spendiert mir qua Verspätung noch eine ausgedehnte Wartezeit auf dem Keflaviker Flughafen. Summa summarum bin ich jetzt schon 20 Stunden reisend. 

Doch jetzt geht es los. Ein tipp topp ruhiger Flug wird es. 26 km bis zum Ziel, erzählt der Monitor, aber das ändert sich nun plötzlich nur noch unwesentlich. Kreisen wir? Gut nicht ungewöhnlich. Aber nach einer halben Stunde im Circle steht uns Passagieren schon langsam das Fragezeichen auf der Stirn. Endlich der Käptn. „Ladies and Gentlemen, wir haben heftige Böen über dem Landegebiet und weniger als ein km Sicht. Wir müssen auf besseres Wetter warten.“ So kreisen wir… 

kreisen wir … 

kreisen wir… 

kreisen wir…

Ein Blick nach aussen… weitere Flieger tun dasselbe.  In Lautsprecher scheppert es wieder. „Keine Wetteränderung in Sicht. Wir prüfen Ausweichorte: Bergen… Schottland… Dänemark Festland“. Mein Favorit wäre Schottland. Aber wir kreisen….kreisen…kreisen….kreisen. Hat es noch genug Kerosin? Dann kommt die Meldung, die keiner der rund 200 Mitflieger hören wollte. „Fasten seatbelts; in Bergen hat es keine Hotels frei….wir landen. 

Wir sinken. Der Airbus wird von heftigen Winden erfasst. Man krallt sich an die Lehne, kommuniziert mit dem Mageninhalt; Kinder schreien. Die allgemeine Gesichtsfarbe wechselt auf Grün. Wieder und wieder bäumt sich  die Maschine, 

sackt…. 

wankt…

links…

rechts…

sinkt…

steigt…

rattert…

stöhnt…


Fährt das Fahrwerk mit Gerumpel aus. 

Die Flügel stellen die Landeklappen hoch.


Es tut sich ein Sichtfenster auf. Im Nebel erscheinen unter scharfen Klippen farbige Häuschen. Nebelschwaden schleichen.  Der Monitor zählt runter. Noch 100 m. Da heult der Motor auf. Die Nase zieht steil nach oben. Durchgestartet. Ich bin erleichtert. Aber für jemanden war es wohl zuviel „action“. Medizinischer Notfall. Ärzte werden herbeigerufen. Zum Glück stabilisiert sich die Lage. Wir kreisen… kreisen… kreisen.

Endlich die erlösende Nachricht: „Wir fliegen zurück nach Keflavik“, Hotel und Essen wird bezahlt. Neue Flugzeit: Morgen, 8.50.“

Gut, aber nicht mit mir. Ich hatte schon vor dem Abflug gesehen, dass das Wetter über Fähringen noch weitere Tage schlecht sein wird. 

Am andern Morgen stürzt sich Herr Jetzer sogar in seiner Freizeit wieder in die Buchungssysteme. Eine direkte Heimreise Island - Zürich wird zum gewünschten Datum möglich. 

Aber jetzt …. Island… ein neues Abenteuer wartet. Ein unerwartetes. Einmal mehr wird mich diese Insel packen!

Kommentar schreiben

Kommentare: 11
  • #1

    DON PEDRO (Samstag, 16 Juli 2022 19:23)

    Mein Tip: Mit MS Europa 2 über Schottland zu den ....... Inseln und über Bergen nach Hamburg. NO stress!

  • #2

    Rena de la casa (Samstag, 16 Juli 2022 19:52)

    Hey, du hast in kurzer Zeit so vieles erlebt, momoll!
    Und nimmst das Ganze recht gelassen? Wann startest du wieder, dann aber durch bis Iceland?
    Ps. Du machst ‚gluschtig‘, Kevlavik zu erkunden.
    Grazie, cara Francesca!

  • #3

    Dorte (Samstag, 16 Juli 2022 20:40)

    Oh Gott was für eine Horror. Ich hoffe ihr seid alle zwischenzeitlich wieder gesund und munter zuhause!!

  • #4

    Antje Stiemerling (Samstag, 16 Juli 2022 21:13)

    … was für ein galaktisches Abend-Teuer… bleibt dennoch unvergessen…

  • #5

    Ursula (Samstag, 16 Juli 2022 22:29)

    Alles vorhanden für einen Abenteuerfilm - du brauchst nur noch die richtige Crew und Unterstützung für Kulturförderung aus dem Lotteriefond! Fortsetzung folgt… wir warten gespannt.

  • #6

    Vreni (Sonntag, 17 Juli 2022 07:08)

    In Kürze hast du alles erlebt, wofür andere jahrelang fliegen müssen!

  • #7

    Wolfgang (Sonntag, 17 Juli 2022 10:32)

    „Mit Dir würde ich nie in die Ferien fliegen!
    Aber der Gruss aus Island freut mich natürlich sehr.
    Immer toll wie du schreibst, wie man sich dabei fühlt, wie man mit dir mitleidet.
    Wird alles gut oder besser?
    Lg

  • #8

    Irmgard (Sonntag, 17 Juli 2022 15:05)

    "Wer eine Reise macht, kann viel erzählen". Bei Dir ist oft auch Überraschendes dabei; diesmal der "besondere Kick" sogar im Überfluss. Jedenfalls wird Dir diese Reise noch lange in Erinnerung bleiben. Schön, dass Du jetzt immer noch Lust auf Iceland hast. Reykjavik kenne ich selbst gut. Es war zu Studentenzeiten früher mein Stop-over auf dem Weg in die USA.

  • #9

    Cornelia & Thomas (Sonntag, 17 Juli 2022 16:17)

    Liebe Franziska, Danke für diesen unglaublichen Bericht. Wir freuen uns sehr, dass Du aus diesem Drama heil herausgekommen bist. Herzliche Grüße aus Hamburg

  • #10

    Albert Müller (Montag, 18 Juli 2022 11:39)

    "Zu Hause alles stehen lassen" - das geht nicht - dafür "kreisen wir" , das geht...
    "Wahnsinnsreise", worüber ein Gersauer nur staunen kann...

  • #11

    Michel Planson (Mittwoch, 27 Juli 2022 06:48)

    Une situation romanesque, qui se lit comme un roman...
    Merci �