Die lange Nacht am Polarkreis beflügelt die Sehnsüchte nach dem leuchtenden Hell. Es ist jetzt Februar. Überall elektrische Lichterketten. Dauerweihnacht. Der heimelige Schein zieht mich in die Gaststuben, wo meist ein Feuer brennt.
Der Flammlachs brutzelt in einem schwarzen Gitter. Kuschlig warm ist es bei draussen minus 20 Grand, manchmal noch mehr. Für mich heisst es nun aber: Jacke und Mütze an: Auf ins „Arctic Hotel“.
Ich habe die Besichtigungstour mit Nachtessen in der Kota gebucht. Jo (hannes) erwartet uns. Ca. 15 Km ausserhalb von Rovaniemi steht er vor dem erleuchteten Eingangstor des vergänglichen Wunderwerkes. „Jedes Jahr seit 2008 bauen wir ein komplett neues Eishotel“, verkündet er nicht ohne Stolz. „Was ihr hier seht, ist einzigartig und wird von der Frühlingssonne aufgefressen werden. Dieses Hotel ist endlich, der Vergänglichkeit geweiht; das nächste wird komplett anders sein.
Neugier…Neugier!
Unsere Gruppe drängt durch den Zugangstunnel vorbei an kantigen Eisskulpturen.
„Zuerst schauen wir uns die einzelnen Zimmer an. Jedes ist natürlich verschieden. 15 Künstler haben sich verwirklicht.
So wird der Ort zur temporären Galerie. Wir irren durch die Gänge, jeder findet ein Lieblingskämmerchen.
„Wie schläft man denn hier drin?“, frage ich. „Man bekommt einen Mumienschlafsack. Ist ja nur - 5 Grad im Zimmer“, grinst Jo auf den Stockzähnen. „Toilette und Dusche finden sich im Gemeinschaftsbereich. Also im Schlafsack döst es sich kuschlig!!“
Auch für das seelige - ein Blick in die Kapelle -
und das kulinarische Wohl - Eisrestaurant - ist gesorgt. Wahrlich Coooool, aber zum Glück habe ich in der Kota reserviert. Alles wunderschön designt, aber pfuuusen und essen möchte ich hier nicht.
Weiterer Augenschmaus wartet im Garten auf Bewunderer. Letzte Woche fand der Eisskulpturen-Wettbewerb statt. In Neogrün, Orange und Pink wetteifern die Monumente um Aufmerksamkeit.
Wieder gefriert meine Nase zu. Ist nun nicht Zeit für „Kippis“ (Prost) in der Eisbar?
Fetziger Groove bringt Bewegung in die klapprigen Beine. Der Drink im Eisbecher wärmt die Speiseröhre. Zu guter Letzt schmeisse ich das Tinkglas an die Wand. Klirr!! Die Italiener in der Gruppe gucken mich entgeistert an. Sie hatten wohl Jo‘s Erklärungen nicht verstanden. Jeder der/die ausgetrunken hat, darf den Trinkbecher an das Gewölbe pfeffern. Ein Spass!
Das Abendessen wird in der Kota serviert. Nicht ganz überraschend schwimmt ein Lachs, dem über dem Feuer ordentlich eingeheizt worden war, auf meinen Teller. So komme ich wunderbar auf Betriebstemperatur für Teil drei des Ausflugspaketes. SAUNA.
Das Ritual gehört einfach zu jeder Finnlandreise. Es gibt mehr Saunas als Autos im Land. Klar, dass diese Nationalbeschäftigung auch die Kreativiät anregt. Das Arctic Hotel ist stolz, die Eissauna erfunden zu haben und glaubt, es sei global immer noch die Einzige. Das Erlebnis ist speziell. Durch einen schmalen Aufgang gelangt man über mehrere Stufen in die Eiskammer. Dort wird der Aufguss vorgenommen. Es entsteht ein dichter Qualm, gleich einem Dampfbad. Für klaustrophobe Saunierer:innen allerdings eine Herausforderung. Wo ist der Ausgang, falls man vor der Hitze flüchten sollte/wollte? Ich habe dies antizipiert und mich für den „normalen“
Saunagang samt Whirlpool unter den Sternen gemeldet.
Ein Top-Erlebnis war dieser Besuch im Arctic-Hotel.
Kurz bevor ich wieder in meinem Hotelzimmer ankomme, durchwandere ich das nächtlich illuminierte Santa Claus Village. Den berühmtesten Finnen, Santa Claus, habe ich bis jetzt ja sträflich ignoriert. Wird er mir das verzeihen?
Seit Jahrhunderten wohnt der Weihnachtsmann in Lappland. Im einzigen offiziellen Weihnachtsmanndorf der Welt kann ihn jeder besuchen, wenn er da ist. Am Abend natürlich nicht, dann fliegt er mit seinen Rentieren und den Elfen, zurück zu seinem Ohrenberg, um sich von all den Besuchern zu erholen. Dafür ist am Abend das Dorf zauberhaft beleuchtet und da der Polarkreis mitten durch die Anlage verläuft, kann ich auch über die magische Linie hüpfen.
Dass aber gerade der Santa es mit der Wahrheit nicht 100% genau nimmt, ist wohl seiner Kommerzialisierung geschuldet. Die Polarkreise bewegen sich nämlich jedes Jahr um 14 m Richtung Pol und somit liegt er jetzt 120 m nördlich der angezeigten Linie (Pfostenreihe). Ja nu, wenn das so ist, muss ich den Chlaus wegen meinem kleinen Sündenregister auch nicht unbedingt besuchen, denke ich.
So fabriziere ich in der Warteschlange zum Santa Empfangsraum noch eine elegante Kehrtwende und entfliehe dem fast unausweichlichen Rendez-vous.
Dafür ist das Santa Post Office datingfrei und wirklich herzig. Briefpost aus aller Welt werden in gläsernen Boxen aufbewahrt. Wer ihm selber schreiben möchte: Die Adresse von Santa Claus lautet übrigens:
Santa Claus, Santa Claus’s Main Post Office, 96930 Napapiiri, Finnland.
Ein Kartengruss vom Polarkreis-Post-Office an die Lieben ist selbstredlich auch originell.
Viele viele Postkarten warten; diese können auch in einem besonderen Briefkasten für Weihnacht 24 deponiert werden. Diese werden zeitgerecht erst im nächsten Advent zugestellt werden.
Ein Besuch des Dorfes gehört einfach zu einem Lapplandaufenthalt. Eine Art Santa-Disneyland, das besonders viele asiatische Touristen anlockt und für alle etwas Schnupper-Finnland bereithält.
Mini-Touren mit Hunden und Rentieren, Snowmobil für Kinder, Eisbahnen in Eisgewölben und Kitsch und Klimbim à discretion zum Einkaufen.
Damit wäre Santa abgehakt, wenn die magische Figur nicht besondere Kräfte hätte. Wie gesagt: Ich wollte ihn nicht treffen. Aber eine weitere Karte hätte ich noch gebraucht. Beim Ausflug nach Rovaniemi-Stadt trifft es sich grad gut. Da steht idealerweise ein kleines Santa-Office auf dem Platz vor dem Shopping-Center. Dort kann ich die passenden Postcards doch sicher noch schnell kaufen. Ich trete ein: Keine Postkarten.
Ups? Und wer steht unter dem Türrahmen? Er lächelt hinter seinem Rauschebart. Der Santa Claus höchst persönlich. Kein Zurück! Er hat mich erwischt und bittet mich zum Small-Talk auf sein Sofa. Zum Glück interessieren ihn meine Sünden gar nicht. Nur dass wir zum gesalzenen Preis noch ein Erinnerungsfoto mit ihm schiessen und Selfies liegen zu guter Letzt (gratis) auch noch drin. Es hat nämlich null Besucher hier in der Filiale.
So komme ich unverhofft zu einer Privataudienz. Man kann ihm nicht entkommen; der Santa ist doch nicht zu unterschätzen!
Mit wunderbaren Erinnerungen kehre ich von dieser besonderen Reise zurück und ahhh… es ist 10 Grad.
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Sigrid (Sonntag, 18 Februar 2024 16:28)
Eine wunderbare Reise. Das Leben ist heute, es ist bunt und die Menschen geben auch bei den unvorstellbaren klimatischen Herausforderungen dem Leben den Sinn. Franziska, danke, du erinnerst mich daran ,die wunderbaren schönen Farben, Gefühle Plätze und Menschen wahrzunehmen und für unser Leben danke zu sagen. Gute Reise noch und ich bin gespannt auf die Fortsetzung
Werner Weber (Sonntag, 18 Februar 2024 19:31)
Liebe Franziska
Ich habe waerend meinen einundeinhalb Jahren einige Schwedinnen und Finninnen kennen gelernt. Finnisch ist für uns eine schwere Sprache zu lernen. Aber ein Satz weiss ich noch: Mine rakastuan sinue. Rate einmal was das heisst.
Albert Müller (Montag, 19 Februar 2024 18:21)
...aber ich würde, ja müsste den Santa Chlaus besuchen... weiterhin eindrückliche Erlebnisse im "feinen Land"!
Petra Becker (Sonntag, 25 Februar 2024 19:04)
Grossartig! Vielen Dank fürs Teilen Deiner Eindrücke.
Herzliche Grüsse, Petra
Rena de la casa (Montag, 26 Februar 2024 13:28)
Hoho, wen hat der Santa Claus da erwischt?
Francesca! Gut so!
Die Lady durfte vielleicht am Rauschebart ziehen?
Wunderbare Aufnahmen, dein witziger Bericht - wenn nur die Kälte nicht wäre…
Ps. Finnland im Norden kenn ich vom Sommer, doch der Charme der vielen Lichter, Eishotel und Skulpturen inklusive gibts da halt nicht.
Grazie, cara.