Terra Nostra

In dieser Neumondnacht hat der Elefant für Mitternacht zur Versammlung der Tiere geladen. 

Vom Sugar-Bowl-Outlook aus habe ich heute Morgen die animalischen Skulpturen entdeckt. Ich schlenderte durch verwunschene Wege; ich trank die Üppigkeit des Waldes; alles durchzogen von malerischen Flussläufen. 

Plüschige Moosteppiche bedecken Steine und Wurzeln. Die Farnbäume breiten elegant ihre prähistorischen Fächer. 

Noch ist Zeit bis der „Kongress der Tiere“ beginnt. Ich wohne im Hotel Terra Nostra im Furnas-Tal. Ein aufregendes Gebiet. Furnas liegt in einem schlafenden Krater, von denen es auf Sao Miguel, der grössten Insel der Azoren, gleich mehrere gibt. Die umgebenden Hügel markieren den Kraterrand;

die heissen Quellen am Dorfrand senden die dampfende Message des Vulkans in den Himmel. Schwefelgeruch liegt der Luft. Es brodelt. 

Dieses mineralhaltige Wasser faszinierte schon die Gründer und die heutigen Besitzer des Terra Nostra Parks. Letztere führten Thermalwasser in ihre botanische Oase. 

Heute pilgern die Besucher an diesen wortwörtlichen Hot-Spot. Von 10.30 - 16.30 Uhr haben sie Zugang zu den Quellen und dem Botanischen Garten. Sie steigen in das heilende Wasser (rot gefärbt von Eisenmineral) und geniessen die durchdringende Wärme von konstant 38 Grad. 

Sie entdecken die Geheimnisse des riesigen Parks, 

verlieren sich in verwunschenen Höhlen. 

Auch die Hotel-Ikone selber (Terra Nostra Garden Hotel), gebaut im Stil des Art-Deco, will noch besucht sein. Weiss befracktes Personal schwebt durch das Panoramarestaurant

mit Aussicht auf die 87-jährigen Ahorne, die ihre Blättergirlanden im Wind tanzen lassen. Nicht wenige Gäste bestellen den Cozido, ein in den thermischen Feldern während 7 Stunden gekochter, Eintopf. 

Bis meine Stunde kommt, lasse ich mich auf einen Spaziergang durch die Pflanzenwelt ein. Miguel, der studierte Agronom, ist hier für die Gesundheit der Pflanzen zuständig. 

„Unser Obergärtner ist sehr ambitioniert“, weiss er zu erzählen. „Eine der bedeutendsten Kameliensammlungen der Welt, verzaubert hier zur Blütezeit die Alleen mit überschäumenden Blumenflor! Der Weg glänzt golden, wenn die Ginkoblätter ihr Farewell geben. 

In der Bromeliensektion machen wir ebenfalls Halt. Später im Sagapalmen-Tal, am Seerosenteich….

Die Dämmerung schiebt sich in das üppige Grün. Der Garten samt Therme gehört jetzt privée ganz mir und den vereinzelten Hotelgästen. Die Alaskafichten scheinen sich etwas zu mir zu neigen. Ich… tout seul….  die einsame Schwimmerin - dampfumschmeichelt - im Oval-Pool. 

Später führt mich ein gewundener Pfad zu zwei weiteren heissen Bädern. Hundert Frösche quaken mir ihr quirliges Konzert. 

Nicht weit von da versteckt sich der Skulpturengarten. Ich will das Erwachen der Tiere natürlich nicht verpassen. Ich halte Abstand. Der Gorilla gibt den Türsteher. 

Sie wollen unter sich bleiben. Zum 12. Schlag der Kirchenglocke kommt Bewegung in die Truppe. Der Elefant schwingt den Rüssel, der Schuhschnabel klappert 

und der Flamingo stelzt. 

Der Hase wuselt herum 

und selbst Nessie kommt aus der Deckung und rollt die Augen. 

Alsbald strecken alle die Köpfe zusammen. Was sie besprechen bleibt ihr Geheimnis. Vielleicht ein Gebet des Dankes? Dass es noch solche Flecken gibt. Terra Nostra Orte, wo die Zeit stillzustehen scheint. Alles Überschüssige, das uns nur den Blick für das Wesentliche nimmt, abgefallen ist.

Ganz leise ziehe ich mich zurück und finde meinen Lieblingsplatz an den Koi-Teichen hinter der Botanic-Hall. Sterne glitzern, ein Uhu ruft, 

die Engelstrompeten umgarnen mich mit ihrem süss-opulenten Duftschwall. Die hochbeinigen Palmen spiegeln sich im stillen Wasserglanz.

Mea Hora.



Meine Stunde.

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Kommentare: 13
  • #1

    Claire (Freitag, 07 Juni 2024 21:06)

    Einfach ein absoluter Genuss deine Beiträge zu lesen! Vielen Dank dafür�

  • #2

    Werner (Freitag, 07 Juni 2024 21:18)

    Liebe Franziska
    Bis jetzt war mir nur das Hoch über den Azoren ein Begriff. Herzlichen Dank für deine schöne Abendlektüre.

  • #3

    Martha und Don Pedro (Freitag, 07 Juni 2024 21:29)

    Liebe Franziska
    Wunderbar Deine Schilderungen, Fotos und Poesie ….. Erinnerungen werden wach. Herzliche Grüsse aus Halifax, unserer Reise von New York nach Reykjavik.

  • #4

    Vreni (Freitag, 07 Juni 2024)

    Wow, die Bilder si d so eindrücklich und dein Text veredelt sie noch. Congratulation!

  • #5

    Planson (Freitag, 07 Juni 2024 23:53)

    Merci
    Viele Grüße
    Michel

  • #6

    Urs (Samstag, 08 Juni 2024 09:23)

    Hoi Franziska
    Danke für die mit tollem Text umrahmten eindrücklichen Bilder. Ich bin unterwegs auf unserem Boot in Holland und nehme mich grad an der Nase … Du hast mich inspiriert, das “drumherum” intensiver wahrzunehmen und den Gedanken mit Fantasie und Inspiration mehr Freiheit zu geben. Geniess es …

  • #7

    Albert Müller (Samstag, 08 Juni 2024 12:05)

    Wie immer - herrliche Naturaufnahmen - herzlichen Dank, nun "muss" ich nicht mehr dorthin; ich bewundere deine Fotos und verweile bei TERRA NOSTRA...

  • #8

    Annalies (Samstag, 08 Juni 2024 14:00)

    So schön deine Schilderungen.. es ist wie in der Märchenwelt und lässt einem träumen. Herzlichen Dank !

  • #9

    Georges (Samstag, 08 Juni 2024 16:49)

    Opulente Natur, opulente Sprache.
    Perfekt.

  • #10

    Ueli (Samstag, 08 Juni 2024 19:05)

    Auch meine Stunde...
    Deine Schilderungen ziehen mich in deinen Bann: hochbeinige Palmen...
    Danke!

  • #11

    Dorte (Sonntag, 09 Juni 2024 09:59)

    So schön - ein verwunschenen Ort zum Träumen.

  • #12

    Anita (Sonntag, 09 Juni 2024 12:04)

    Eine Wunderwelt und ein Traum !

  • #13

    Rena de la casa (Montag, 10 Juni 2024 22:09)

    Deine Sprache
    Deine Bilder
    Beides vereint lässt mich ins verzauberte Wunderland entschweben. Gracias, cara Francesca