Belgrad

Mein deja vue ist rot… rot und zerbeult.

Ich stehe am Zusammenfluss von Donau und Save und ganz ehrlich. Als ich die Destination der Studienreise erfuhr, legte sich subito ein Schattenwurf der Mementos über meine anima helvetica. Belgrad!?

Von meiner Donaufahrt 1987 hatte ich vorwiegend diese roten Trams in Erinnerung. 

Uralte Blechschlangen. Neben den Schienen lagen damals ausgebüxte Pflastersteine, deren quadratische Löcher von Grasbüscheln und Disteln erobert wurden. Es vergehen noch einige Minuten, bis die Flussrundfahrt startet. Ich suche in der Hitze den Schutz einiger Bäume und da…. ein stöhnendes Gieren gefolgt von grellem Bremsgequitsche. So sieht man sich wieder. Als wäre die Zeit stehen geblieben. 

Treffen sich gerade jetzt zwei Originale? Nach 37 Jahren. Ich und das Tram. Bei beiden die Epidermis etwas eingedrückt und abgeblättert! Aber abgesehen davon immer noch in Betrieb. 

Das Ausflugsschiff ist startbereit. Die Altstadt leuchtet im Sonnenschein. Das alte Belgrad grüsst. Auf der Save flussaufwärts winkt die Zukunft. 

Belgrad liegt nicht nur am Zusammenfluss von Donau und Save, 

sondern befindet sich wirtschaftlich ebenfalls in einem veritablen Flow. Ich will nicht unterschlagen, dass die kommunistischen Plattenbauten 

allenthalben abgetakelte Impressionen liefern, umso augenfälliger daneben der Aufbruch. 

Die neuen Wohnsiedlungen am Ufer haben in den letzten Jahren halsbrecherische Wertsteigerungen erfahren. Der Quadratmeterpreis ist von 1500 auf 5000 Euro hochkatapultiert. Property ist heissbegehrt. 

Der Exportartikel  Nummer 1 von Serbien hat diese Initialzündung gestartet. IT Dienstleistungen von Cyber über Design bis KI. Unter dem Radar vieler erfolgreichen Nationen hat sich Serbien, klammheimlich in den  globalen Businessrankings hochgearbeitet. Die gut bezahlten Arbeitsplätze und das unternehmerfreundliche Klima brachten die Stadt unter die weltweit Top Ten uprising cities of the world. Zug ist übrigens auch darunter. 

Klar möchte man das auch zeigen. Hinter der letzten Brücke tut sich das Gelände der Weltausstellung 2027 auf. 

Wer kommt mit? Wo ich einchecken werde, weiss ich schon. kingsfountain.rs/ . Der Schweizer Investor Jan Schoch wird im Diplomatenviertel nach dem Vorbild des Appenzellerhuus Resort Gonten (Eröffnung Hotel Quell 5 Star ca. 2025) im

Grüngürtel von Belgrad ein Hotel, sowie Apartments realisieren. appenzellerhuus.ch

Bevor die Besucherwelle in 3 Jahren zur Weltexibition anrollt, erkunde ich gemütlich die Stadt, die mit  Ruhe und Gelassenheit punktet. Kein nervöses Gehupe, sehr freundliche, weitgehend junge Leute, gut gekleidet, … und sehr wenig Kriminalität gebe es hier, erfahre ich von Einheimischen. Gefährlicher lebt da definitiv meine Kreditkarte. In der Fussgängerzone werden Schuhlovers glücklich. Taschen, die ewige Verlockung, sind allgegenwertig. 

Ich erliege dem floralen Gold-Print. Manager auf der Suche nach qualitativ guten Anzügen erfreuen sich an Top-Angeboten in den kleinen Schneidereien. 

In den diversen modern designten Shopping-Centern geht es mondäner zu. Die Preise sind da kein Bargain aber angenehm kühl und luftig ist es hier drin. Man kann sogar auf einen Massagesessel sitzen, mit Pech auf ein übereifriges Modell, das die Waden tätlich angreift und zusammenquetscht. 

Flucht deshalb wieder nach draussen! Vom nahegelegenen Fort aus, geniesse ich den Blick auf die Conjunktion der Flüsse, 

Abkühlung bietet die Sodbrunnenanlage, welche die Österreicher in den Fels hauen liessen. Die Hitze zieht jetzt merklich an, höchste Zeit, meinen tomatenroten Kopf in Richtung leichtes Mittagessen zu verschieben. 

In den, die Stadt durchziehenden Wäldern, befinden sich die Geheimadressen der kulinarischen Sommerfrische. Auf einer lauschigen Terrasse wartet der Kellner nicht lange mit der stolzen Kredenzung lokaler Weine. 

Plättli mit diversen Frischkäsen (Kaymak) und weitere Schmausereien werden aufgetragen. Ich hätte jetzt genug, aber an diesem Punkt lerne ich die überbordende serbische Gastfreundschaft kennen. „Jetzt fängt es doch erst an“, tönt es am Tisch. Besonders Fleischtiger werden die serbischen Speisekarten lieben. Mutig probiere ich den Schweinebauch, der sehr gesittet daherkommt. Ein Genuss. 


Nach dieser rustikalen Einführung möchte das kulinarische Belgrad am Abend mit Haute Cuisine auftrumpfen. Das Studio 1908 empfängt mich mit royaler Kulisse. 

Mon Dieux. Was für eine Location. Diese blaublütige Treppe, die mich, vorbei an Fotografien, 

hinauf in eine gourmetastische Cappella Sixtina geleitet. 

Service mit weissen Handschuhen schwebt mit Tellern voller Raffinesse zu mir. 

Das Schwelgen, das Ambiente, das alles wird mir unvergesslich bleiben. 


Völlig umgarnt von diesen Eindrücken trete ich auf den Platz. Wieder diese Ruhe. Ein paar Taxis düseln leise vorbei. 

Steinmetzgöttinnen rufen mir von den Fassaden herab zu: „Vielleicht doch noch ein Absacker?“

Was wäre ein serbischer Abend ohne Rakija? Den Früchtebrand finde ich zuverlässig in den Altstadtgassen. Und hier bietet sich wieder ein ganz anderes Bild der Stadt. 

Super Stimmung in den kleinen Restauräntchen, die heute Abend dehors aufgetischt haben. Ich setze mich auf eine erhöhtes Podium. 

Die Sitzplätze sind besetzt, da und dort versprühen Musikantengruppen pure Fröhlichkeit. Geigen tanzen. Gläser klingen, der Rakija fährt mir ein. 

Sanfter Laternenschein. Ich beobachte die „nexte“ Generation, wie sie unbeschwerte Momente geniesst. 

Belgrad… ein spannender Mix. 


Zwischen Retro 

und Moderne spüre ich die Energie dieses Ortes.

Vielleicht haben wir es noch nicht gemerkt:


Diese Stadt will hoch hinaus!

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Kommentare: 5
  • #1

    Albert Müller (Samstag, 13 Juli 2024 12:03)

    Wieder einmal mehr herrliche, eindrückliche Aufnahmen in und um Beograd von einer "anima tugenia"...Nun kann ich meine vorgesehene Reise dorthin stornieren!

  • #2

    Annalies (Samstag, 13 Juli 2024 15:19)

    Wahrlich eine interessante Destination, voller Gegensätze, der flaschenartige Neubau und der Gourmetstempel demonstrieren es wunderschönen.
    Herzlichen Dank und weiterhin einen schönen erlebnisreichen Sommer wünsche ich dir.

  • #3

    Susanne Huber (Samstag, 13 Juli 2024 19:09)

    Einmal mehr eine wunderschön beschriebene Stadt, die gluschtig macht. Danke, liebe Franziska. Weiterhin viel Abenteuerlust wünscht dir Susanne

  • #4

    Koller Werner (Sonntag, 14 Juli 2024 15:13)

    Besten Dank für die wunderschönen, eindrücklichen
    Bilder.
    Freundlich Grüsse
    Werner Koller

  • #5

    Georges (Sonntag, 18 August 2024 08:28)

    Tolle Beschreibung, spannend und einfühlsam