Stadlin Club Rom

JM hat mich im Griff. Oder besser, er hätte mich, aber auf seinem Portrait blickt er gar nicht in Richtung meines Schreibtisches. Sein Blick schweift in die Ferne.

Er, Johann Michael Stadlin, war ein Visionär, ein Pionier. Mühlenbauer, Ingenieur, Mastermind der Zuger Wasserversorgung.

Stets war bekannt, dass er neben der Untermüli in Zug (umgenutzt)

und der Mühle Maroggia (immer noch in Betrieb und geführt von seinem Nachkommen Alessandro Fontana-Stadlin),

auch Mühlen in Mailand und Rom (1904) errichtet hatte, später diese  jedoch verkaufte.

Es gibt Bilder von allen Mühlen auf einem alten Ofen; Mailand scheint abgerissen worden zu sein, aber Rom….

Das Taxi windet sich sehr weit im südlichen Travestere durch den pulsierenden Abendverkehr. Rücklichter, Blinker, Drängeln, Händeverrühren. Trafico italiano eben. „Siamo arrivati“, meint der Driver unvermittelt und stellt mich irgendwo an einer Ausweichstelle ab.

Google Maps ist auch der Meinung, dass der Taxifahrer richtig liege. Ich fühle mich grad ein wenig lost aber…..Tatsächlich erheben sich direkt an der Ufermauer des Tibers zwei massige Gebäude. 

Je näher ich komme, desto mehr entdecke ich da und dort die roten Klinkersteine, die mir von seinen Bauten so vertraut sind. „Hey JM… ich habe Herzklopfen.“ 50 m weiter sehe ich roten Lichtschimmer…. ein Souterrain öffnet sich. Ich blicke auf eine Lagerhalle herab, auf dem Vorplatz ist ein Restaurant eingerichtet…… wouw da hat es aber Raum.

Nun schiesst noch etwas mehr Adrenalin in meine genetischen Adern. Ganz gross prangt an einer Wand ein Logo in Schwarz und Weiss: STADLIN.


Ich werde schon erwartet. Certo, bin ich nicht einfach so unvorbereitet losgezogen.

Ich habe mich angemeldet. Die Familie Coticoni heisst mich ganz herzlich willkommen. Sie führen den Stadlin.club, ein „It place“ für Fröhlichkeit, Party und Zusammensein. Das Motto lautet: DRINK FOOD SOUND. Ich bin an diesem Abend (à mon age) nicht gerade Zielpublikum. Carnevale! Die Stimmung unter den Jungen ist ausgelassen. Für mein Semester bietet sich die Tageszeit mit Gartenambiente an und es gibt z. B auch ein Brunchangebot.

Elisa, die das Restaurant zusammen mit ihrem Mann Andrea und den Söhnen Edoardo und Mattia führt, nimmt mich gleich mit zu einer Umrundung des Geländes. Imposant…. der alte Wasserturm steht noch. Ebenfalls ein Annexgebäude aus Klinker. 

Über der Lagerhalle, wo die Bar sich befindet, sind auf 4 Etagen trendige Apartments im Industrielook entstanden. Denkmalgeschützt.

Wieder zurück, kommen wir natürlich ins Reden. „Was habt Ihr denn mit Stadlin zu tun. Verwandtschaft?“ „No no“. 

Sie hätten den Betrieb der Familie Biondi abgekauft, und bereits unter den Vorgängern habe das Lokal STADLIN geheissen. So hätten sie den Namen übernommen und einem andern kleineren Restaurant, das auch ihnen gehört, einen gleichlautenden Namen gegeben: „Salotto Stadlin“ Dieses Lokal habe eigentlich nichts mit JM zu tun. Werbetechnisch sei es allerdings sinnvoll, einheitliche Namen zu wählen. Ansonsten hätten sie aber keine Kenntnis vom Erbauer der Mühle gehabt.

Natürlich zeige ich Ihnen einige Bilder der anderen Mühlen und es ist so schön zu sehen, dass der Stadlin.Club ein weiteres Kapitel seiner Geschichte erhält. Eines, das verborgen war und jetzt zum Vorschein kommt. Und damit Johann Michael in diesen Gemäuern „weiterleben“ kann, packe ich eine Kleinversion des Büroportraits aus, das ich im Leinwandstil habe anfertigen lassen. Dieser Moment wird mit Fotos und sogar einem Instagram-Reel gefeiert. JM und ich sind jetzt online!

Andrea, Franziska Stadlin mit JM, Elisa,  Edoardo
Andrea, Franziska Stadlin mit JM, Elisa, Edoardo

Danach geht es weiter mit Spumante und einer sehr sehr grosszügigen Variation von verlockenden Spezialitäten. Wouw, so verwöhnt werden. Molto grazie!!

Im Raum nebenan nimmt die Karnevals-Nacht Fahrt auf. Maskerade. Pailletten, Glitzer, Perücken, hochhakige Stifeletten. Der Beat bumm bumm… 

Drinks in allen Farben… Gelächter brandet auf. Eine herrliche Atmosphäre. „Dä Lade, lauft!“ würden wir in der Schweiz sagen und deshalb sei jetzt auch noch Vergrösserung geplant, erklärt Elisa.

Sie hat auch schon ein Plätzchen für Johann Michael Stadlin gefunden. Hinter der Kasse gut sichtbar. So ist er mitten drin. 

Wäre es nicht eine Idee für Stadlins und weitere Zuger Familien, sich zu einem Besuch aufzumachen, um selber einen Augenschein an diesem Zuger Plätzchen zu nehmen?  Elisa, Andrea, Mattia und Edoardo würden sich sehr über eine Visità freuen.

Zu meinem grossen Erstaunen gibt es auch einen Stadlin-Online-Shop. Ja, man liefere auch in die Schweiz. Ich bestelle sicher die Taschen. 


Na sowas von cool. Ein Zuger Korporationsgeschlecht mit eigenem Branding. Wer reist, wird eben immer wieder überrascht!

Es ist Zeit für arrivederci. Ein emotionaler Abend neigt sich dem Ende zu. Ich habe ein Stück Urgrossvater gefunden und herzliche Menschen, die sein Erbe weiter pflegen.


Molto Grazie! Elisa, Andrea, Edoard und Mattia!!

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Kommentare: 7
  • #1

    Iris (Samstag, 08 März 2025 12:23)

    Eine unglaublich wunderschöne, wahre Geschichte ♥️♥️♥️

  • #2

    Annalisa (Samstag, 08 März 2025 13:37)

    Che bella storia!
    Auch die Verfahren waren sehr aktiv und haben sich und Europa bewegt.
    Danke für deinen Bericht.

  • #3

    Margarete (Samstag, 08 März 2025 15:15)

    Danke, liebe Francesca, dass du unsere Familiengeschichte erforscht. Jetzt weiss ich, wohin unsere nächsten Familienferien gehen!

  • #4

    Albert (Samstag, 08 März 2025 17:26)

    Ich suche verzweifelt das Plätzchen von JMS "hinter der Kasse gut sichtbar"...
    Mit liebem Gruss Albertus

  • #5

    Ueli (Sonntag, 09 März 2025 11:22)

    Francesca, berührend Deine Geschichte, echt berührend!

  • #6

    Rena de la casa (Sonntag, 09 März 2025 19:43)

    Mit Francesca ‚erlebt‘ man (und Frau) immer Neues!
    Jetzt auf den römischen Spuren deiner Familie!
    Wie immer spannend, hab Dank für Wort und Bild.

  • #7

    DON PEDRO (Montag, 10 März 2025 07:52)

    Tolle Geschichte; jetzt suche ich dann mal die Nachfahren meines Grossvaters, ausgewanderter Bündner Zuckerbäcker! Die waghalsige Konstruktion des Wasserturmes hat mich beeindruckt!