Wie hatte sich gestern der Monte Alban noch von seiner majestätischen Seite gezeigt! Auf moosig frischem Grün ruhten die Pyramiden der Zapotheken in gelassener Stille. Würdig. Ihrer Geschichte bewusst. Und wir zwischen den Gemäuern, nur staunende Bewunderer.
Die Sonne illuminierte die Kultstätte, zeichnete scharf die Konturen, erfreute mit den ihr gelingenden Kontrasten unser Auge zwischen Himmelblau, Wolkenweiss, „Semper Verde“ der Wiese und erhabenem Grau der Ruinen. Es sollte das letzte Mal sein.
Alsbald ziehen heute dunkle Fronten auf.
Regen, Regen….. Sintflut.
Die bunten Fassaden der Altstadt von Oaxaca (Mexiko) ertrinken jetzt in schmutziger Brühe, die nicht ablaufen kann und um 4 Uhr ist unser Abflug nach Mexico City angesagt. Nun mit Sack und Pack am Flughafen. NADA!!!! Nach grossem Wirrwarr wird klar: „Hurrikan TRUDY ist als Tropensturm im Anmarsch, und in den nächsten 24 - 36 Stunden wird kein Flieger starten.
Dilemma: Im Sturmgebiet bleiben (aber wo?) oder weg nach Mexico City mit dem Autotransport.
„5 Stunden… 7000 Pesos… no problema!“
So der Fahrer eines Vans vor dem belagerten Flughafen, Er hat einen zweiten Chauffeur organisiert. Es dämmert: „Vamos!!“. Für geschätzte 500 Meter. Hinter uns:“ Policia!!! Controlla!!“ Gestenreiches Geschwafel, noch mehr Hände fliegen. Nach 10 Minuten, endlich Weiterfahrt. Niemand weiss, wie viele Geldscheine diese ermöglichst haben! Der weisse Ford Transit nimmt flott die Transamericana für 500 Km unter die Räder. Anfangs geht es auf unseren Sitzen noch locker zu und her. Wilde Wälder und Landschaften ziehen an uns vorbei. Interessant. Doch mit einbrechender Dunkelheit weicht das Geplauder der eher beklemmenden Anspannung. Wolkenbruchartiger Regen hat eingesetzt. Was ist Aquaplanning? Unbekannt! Die Fontänen spritzen meterhoch;
die Reifen suchen nach der letztmöglichen Haftung.
Der in höchster Drehzahl rotierende Scheibenwischer bleibt bescheiden im Erfolg. Die Fahrbahn verwandelt sich in eine glänzende Oberfläche auf der sich signal-rote Bremslichter, hektisch-gelbe Warnblinker und gleissend-helle Scheinwerfer als schemenhaftes Konturenbild wiederspiegeln und ineinanderfliessen. Zentimeternah schiessen gigantische Trucks an unseren Seiten vorbei, um gleich danach wieder fast zum Stillstand zu gelangen… nicht genügend Abstand…“jetzt… kn…“ nein doch nicht.. Spurwechsel. „Wo ist eigentlich der Blinker!!“ Plötzlich ein Bremser.
Ein Fuchs hat sein Leben um 1.5 Sekunden vor unserer Stossstange durchgerettet.
Nicht wie die 20 andern, die pelzignasszerquetscht als Kadaver an der Leitplanke kleben. Schon will man sich dem Szenario ergeben; sich an den Höllenritt gewöhnen. Out of the Blue. Wir rasen in eine Nebelwand. Das voranfahrende Fahrzeug nur als Ahnung wahrnehmend. Mit 40 Km kriecht die Autokaravane nun den reflektierenden Bändern der Kurven entlang. Unten die Schluchten. Diese Apokalypse begleitet uns gute 200 km. Augen schliessen. Man will nicht immer hinsehen, wird aber gezwungen, wenn sich bei voller Fahrt ein monströses Schlagloch öffnet, das uns in den Sitzgurten hochkatapultieren lässt
und sich das Stöhnen der Achse in das Trommelfell eingräbt.
Doch nicht dies ist Ursache für die zunehmende Spuruntreue des Fahrzeugs… nein… der Fahrer…. der Fahrer „are…are you Ok? Are you OK? Shall we make a stop!?“ Erst bei der übernächsten, zumindest angedeuteten, Raststätte lässt er sich zu einem Wechsel überzeugen. Je näher die Stadt rückt, desto zivilisierter nun der Verkehrsfluss. Strassenlampen erleichtern die Sicht. Der Regen hat sich gelegt. Die Favelas begrüssen uns mit zehntausenden orangefarbenen Lichtpunkten auf schwarzen Hügeln, fast friedlich.
Nach 30 Minuten ist auch das Hotel“Fiesta Inn“ gefunden „Hof des Festes“ ja.. es ist ein unglaubliches Fest, hier unbeschadet anzukommen.
Ich schliesse nochmals die Augen.
Diesmal aus Erleichterung. Auf meiner Netzhaut blinken und zünden nochmals die Lichter wie in einem schaurigen Film. Ich blinzle durch die Wimpern: Nein, es ist wahr. Ich bin entronnen.
Eine unvergessliche Sturmflucht.